Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. vertragsärztliche Vergütung. Hinzuziehung medizinischer Fachexperten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung als Internum. unvorhergesehene Inanspruchnahme des Arztes als Voraussetzung der GOP 01100 EBM (juris: EBM-Ä 2008). Dokumentationspflichten bei GOP 35100 EBM und GOP 35110 EBM. keine Vertretung bei einer nur stundenweisen oder halbtägigen ersatzweisen Tätigkeit durch einen anderen Arzt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Hinzuziehung eines medizinischen Fachexperten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung ist unterstützender Art und als Internum anzusehen. Mögliche Unzulänglichkeiten, wie zum Beispiel fehlende Eignung des Fachexperten führen daher nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes.

2. Die Abrechnung der GOP 01100 EBM setzt eine "unvorhergesehene Inanspruchnahme" des Arztes voraus. Hierbei ist zweifelhaft, ob die bloße Mitteilung von Laborparametern, egal ob vom Patienten oder vom Arzt die Initiative ausgeht, den Ansatz der GOP 01100 EBM rechtfertigt. Denn die Mitteilung der Laborparameter müsste im Rahmen der Sprechstunde darstellbar sein.

3. Bei der Erbringung der Leistungen der GOP 35100 EBM und GOP 35110 EBM ist zu beachten, dass über die allgemeinen Dokumentationspflichten (§ 57 BMV-Ä) bzw § 10 Abs 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (juris: ÄBerufsO BY 2002) und Art 18 Abs 1 Nr 3 Heilberufekammergesetz (juris: HKG BY 2002)) hinaus besondere Dokumentationspflichten bestehen, die sich zum einen aus dem EBM selbst, aber auch aus der Psychotherapie-Richtlinie (§ 23 Abs 1 Psychotherapie-Richtlinie aF; § 24 Abs 1 Psychotherapie-Richtlinie nF ergeben.

4. Bei einer nur stundenweisen oder halbtägigen ersatzweisen Tätigkeit durch einen anderen Arzt handelt es sich nicht um eine Vertretung im Sinne der §§ 32 Ärzte-ZV, 17 BMV-Ä (vgl LSG Celle-Bremen vom 8.6.2007 - L 3 KA 9/07 ER = MedR 2007, 623).

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist die Plausibilitätsprüfung in den Quartalen 1/13 - 4/15. Die Klägerin ist als Kinder-und Jugendärztin vertragsärztlich zugelassen und nimmt an der psychosomatischen Grundversorgung teil. Mit Ausgangsbescheid vom 25.03.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2019 wurden die Honorarbescheide bezüglich der genannten Quartale aufgehoben und die Honorare neu festgesetzt. Daraus resultierte letztendlich eine Rückforderungssumme in Höhe von 70.160,31 €. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es sei eine zeitliche Auffälligkeit im Quartal 1/15 festzustellen. Dort seien 1.348,17 Stunden erbracht worden. Damit bestehe sowohl eine Überschreitung der zulässigen Quartalsarbeitszeit, als auch eine Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit (mehr als 780 Stunden/Quartal bzw. mehr als 12 Stunden an mindestens 15 Tagen/Quartal). Auffällig sei insbesondere auch die hohe Ansatzhäufigkeit bei den Gebührenordnungspositionen (GOP) 01100, 35100 und 35110. Ferner sei aufgefallen, dass die Klägerin Frau Dr. K. in zwei Quartalen beschäftigt habe, obwohl eine Genehmigung als Sicherstellungsassistentin in diesen Quartalen nicht vorgelegen habe. Allerdings habe eine Genehmigung als Sicherstellungsassistentin im Zeitraum vom 01.05.2014 bis 31.10.2014 und vom 01.04.2015 bis 30.09.2015 mit 32 Wochenstunden bestanden. Es habe eine Prüfung durch den medizinischen Fachexperten Dr. R.W. stattgefunden. Dieser sei langjährig praktizierender Kinderarzt, der wie die Klägerin auch über eine Genehmigung im Bereich der psychosomatischen Grundversorgung verfüge. Die Plausibilitätsprüfung wurde auf weitere Quartale ausgedehnt.

Zur GOP 01100 führte die Beklagte aus, die Inanspruchnahme sei nicht unvorhergesehen. Es sei vielmehr die Ansatzhäufigkeit darauf zurückzuführen, dass die Klägerin ihre Telefonnummer an die Eltern der Kinder herausgegeben habe. Dies stelle eine Serviceleistung der Klägerin dar. Die Klägerin befinde sich somit in einer Dienstsituation und rechnete mit ihrer Inanspruchnahme. Im Übrigen sei die Ansatzhäufigkeit der GOP 01100 in nachfolgenden Quartalen deutlich zurückgegangen.

Das Prüfungsergebnis zu den GOP‚s 35100 und 35110 begründete die Beklagte damit, diese Gebührenordnungspositionen seien deshalb zu korrigieren, da die Klägerin die Leistungen nicht vollständig erbracht habe und insbesondere die Dokumentation nach den Vorgaben des EBM und/oder den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinien nicht ausreichend sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe selbst eingeräumt, die Klägerin habe ein falsches Abrechnungsverständnis gehabt. So sei sie fälschlicherweise davon ausgegangen, sie müsse jeweils neu die GOP 35100 in Ansatz bringen. Daraus resultiere auch eine falsche Dokumentation.

Beispielhaft wurden einzelne Patienten aufgelistet, so zum Beispiel H. M. Der Dokumentation sei keine differenzialdiagnostische Abklärung psychosomatischer Krankheitszustände zu entnehmen. Auch gebe es keinen schriftlichen...

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