Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss an das BVerfG. Bayerisches Landeserziehungsgeld. Art 1 Abs 1 S 1 Nr 5 LErzGG BY. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art 1 Abs 1 S 1 Nr 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - LErzGG BY) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.11.1995 (GVBl BY 1995, 818; BayRS 2170-3-A) gegen Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) verstößt und nichtig ist.
2. Der erkennende Senat stellt zusammenfassend fest, dass Art 1 Abs 1 S 1 Nr 5 LErzGG BY in der Fassung vom 16.11.1995 gegen Art 3 Abs 1, 6 Abs 1 GG verstößt, weil im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ein sachlicher Differenzierungsgrund auf Basis der Staatsangehörigkeit des Antragstellers nicht verifiziert werden kann.
Tenor
II. |
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Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818, BayRS 2170-3-A) gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz verstößt und nichtig ist. |
Tatbestand
(§ 80 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG)
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a) |
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Die Klägerin ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für ihr ... 2000 geborenes Kind P (Leistungszeitraum: 19. Februar 2002 bis 18. Februar 2003). |
Sie wohnt seit 1984 in M und besitzt eine unbefristete und arbeitsgenehmigungsfreie Aufenthaltserlaubnis. Die Klägerin hat seit 1988 wiederholt gearbeitet, so über längere Zeit als Fotolaborantin und kurzzeitig 1998 in einem Textillager, sowie ab Oktober 2002 mit ca. 7 Wochenstunden in der Gastronomie. Bundeserziehungsgeld hat sie mit den Bescheiden vom 15. Mai 2000 und 14. Dezember 2000 in voller Höhe bis 18. Februar 2002 (erstes und zweites Lebensjahr) erhalten.
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b) |
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Am 2. Juli 2002 beantragte die Klägerin Landeserziehungsgeld für ihren Sohn P (Bl. 34 Beklagtenakte). Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 10. Juli 2002 (Bl. 37 Beklagtenakte) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2002 wurde der Antrag abgewiesen, da die Klägerin nicht die notwendigen staatsangehörigkeitsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 Bay LerzGG erfüllte. Zur Anwendung gelangte nach Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayLErzGG (i.d.F. vom 26. März 2001, GVBl. S. 76) das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 - Im Folgenden: BayLErzGG 1995 - (GVBl S. 818, BayRS 2170-3-A). |
Mit der am 7. November 2002 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter.
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2. |
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Rechtliche Würdigung des Klageanspruchs |
Die Klage ist zulässig (§§ 51 Abs. 1 Nr. 10 Sozialgerichtsgesetz - SGG i.V.m. Art. 8 Nr. 1 Buchst. f Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG 1995, § 13 BerzGG, § 57 Abs. 1 SGG) und wäre ohne Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 Bay LErzGG 1995 auch begründet.
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a) |
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§ 1 Abs. 1 BayLErzGG 1995 lautet: |
"Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer
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1. |
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seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch 15 Monate in Bayern hat, |
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2. |
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mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, |
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3. |
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dieses Kind selbst betreut und erzieht, |
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4. |
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keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und |
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5. |
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die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt. |
Der Anspruch auf Erziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat."
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b) |
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Die Klägerin erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 BayLErzGG 1995, insbesondere hatte sie ihren Wohnsitz mindestens 15 Monate in Bayern (Vorwohnzeit). Nach der zusätzlichen kumulativen Voraussetzung des Artikel 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 können jedoch nur Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie bestimmte andere Staatsangehörige, die nach EU-Recht den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union insoweit gleichgestellt sind, Landeserziehungsgeld erhalten. Zu diesem Personenkreis gehören für den hier ausschlaggebenden Leistungszeitraum vom 19. Februar 2002 bis 18. Februar 2003 polnische Staatsangehörige nicht. Polen ist erst im Mai 2004 Mitglied der Europäischen Gemeinschaft geworden. |
Abkommen auf europäischer oder bilateraler Ebene, die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum Ansprüche nach dem Landeserziehungsge...