Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Veröffentlichung eines Transparenzberichtes über einen ambulanten Pflegedienst durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Die Pflegekasse kann durch einstweiligen Rechtsschutz verpflichtet werden, die Veröffentlichung des über einen ambulant betriebenen Pflegedienst erstellten Transparenzberichtes zu unterlassen, wenn hierdurch das Grundrecht des Pflegedienstes auf Berufsausübungsfreiheit verletzt wird.
2. Angesichts der Grundrechtsbetroffenheit bei marktsteuernden Veröffentlichungen und angesichts der dabei bestehenden öffentlichen Interessen an einer zuverlässigen Information dürfen bei der rechtlichen Prüfung der veröffentlichten Bewertungen keine großzügigen Maßstäbe angelegt werden.
3. Ein Transparenzbericht über einen Pflegedienst genügt u. a. dann nicht den erforderlichen Beurteilungskriterien hinsichtlich der erbrachten Leistungen und deren Qualität, wenn die Systematik der Bewertung verfehlt, die Ermittlung der Pflegenoten für den Leser nicht nachvollziehbar ist und der Transparenzbericht damit den Verbraucher in die Irre führt.
4. Der hoheitlich handelnde Pflegeversicherungsträger kann sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht berufen. Das Sozialgericht hat die Aufgabe, dem Einrichtungsträger Rechtsschutz gegen die Verletzung seines Grundrechts auf Berufsfreiheit zu gewähren.
5. Neben dem Anordnungsanspruch besteht der für die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund. Eine drohende Veröffentlichung des Transparenzberichtes mit nicht nachvollziehbaren Qualitätsbenotungen würde zu einem gravierenden Reputationsschaden der Einrichtung führen und diese in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit irreversibel verletzen.
6. Die zeitliche Dauer der vorläufigen Untersagung der Veröffentlichung des Transparenzberichtes kann auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens in der Hauptsache erstreckt werden.
Tenor
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens (Az.: S 6 P 176/10 SG Münster) die Veröffentlichung des Transparenzberichts über den von der Antragstellerin betriebenen ambulanten Pflegedienst aufgrund der MDK- Prüfung am 17. März 2010 über die Internetportale der Antragsgegner - oder in sonstiger Weise - zu unterlassen.
Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die Unterlassung der Veröffentlichung eines Transparenzberichts über ihren ambulanten Pflegedienst verlangen kann.
Der gemäß § 72 des Sozialgesetzbuches - Elftes Buch - (SGB XI) durch Versorgungsvertrag zugelassene, einer Klinik angeschlossene Krankenpflegedienst der Antragstellerin wurde am 17. März 2010 gemäß §§ 114 ff SGB XI im Auftrag der Antragsgegner vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) geprüft. Zu diesem Zeitpunkt versorgte der Pflegedienst insgesamt 79 Kunden, davon 40 Pflegebedürftige mit Sachleistungsbezug. Fünf Kunden wurden vom MDK in die Prüfung einbezogen.
Der auf der Grundlage des Prüfberichts erstellte, der Antragstellerin per Internet mit einem Erkennungscode zugeleitete, aber noch nicht veröffentlichte Transparenzbericht weist als Gesamtergebnis die Note "ausreichend" (3,8) aus. Der Qualitätsbereich "Pflegerische Leistungen" erhielt die Note "mangelhaft" (4,6). Der Bereich "Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen" wurde ebenfalls mit "mangelhaft" (5,0) bewertet. Im Qualitätsbereich "Dienstleistung und Organisation" wurde der Pflegedienst mit "befriedigend" (2,6) beurteilt. Als Ergebnis der Befragung der Kunden, das nicht in das Gesamtergebnis einfließt, wurde die Note "gut" (2,2) angegeben.
Mit Schreiben vom 23. April 2010 wandte sich die Antragstellerin gegen eine Reihe von Bewertungen in dem Prüfbericht. Gestützt auf eine Stellungnahme des MDK vom 07. Juni 2010 gaben die Antragsgegner durch Bescheid vom 16. Juni 2010 der Antragstellerin auf, die vom MDK vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten zu treffen.
Gegen diesen nach Angaben der Antragstellerin ihr erst am 16. September 2010 zugegangenen Bescheid richtet sich die am 11. Oktober 2010 erhobene Klage (Az.: S 6 P 196/10) und der zugleich gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Az.: S 6 P 195/10 ER), mit dem die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage begehrt.
Bereits am 12. Juli 2010 stellte die Antragstellerin den hier streitigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der den Antragsgegnern die vorläufige Unterlassung der Veröffentlichung des Transparenzberichts aufgegeben werden soll. Am 23. September 2010 erhob die Antragstellerin eine entsprechende Unterlassungsklage (Az.: S 6 P 176/10).
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, ihr stehe ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner zu. Die geplante Verö...