Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Bezug von Arzneimitteln über Internetapotheke in anderem Mitgliedstaat verstößt gegen Arzneimittelrecht

 

Orientierungssatz

1. Eine Krankenkasse ist nicht berechtigt, ihren Versicherten die Arzneimittelkosten zu erstatten, die diese über das Internet bei einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat beziehen, da dies gegen das im Arzneimittelrecht geregelte Verbot des Versandhandels verstößt.

2. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht liegt durch das Versandhandelsverbot nicht vor.

 

Normenkette

AMG 1976 § 43 Abs. 1, § 73 Abs. 2 Nr. 6a; EG Art. 28, 30

 

Nachgehend

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 04.03.2003; Aktenzeichen L 16 B 66/02 KR ER)

 

Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16.05.2002 gegen den Bescheid vom 08.05.2002 anzuordnen, wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin arbeitet, gestützt u.a. auf eine schriftliche Vereinbarung, mit der Apotheke ..., Niederlande in der Weise zusammen, als sie ihren Versicherten die Kosten der Medikamente erstattet, die diese von ... beziehen. Auf die Möglichkeit bei ... Medikamente zu beziehen weist die Antragstellerin ihre Versicherten auch ausdrücklich hin.

Bereits mit einen Rundschreiben vom 31.08.2001 an alle bundesunmittelbaren Krankenkassen hatte der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die Kostenerstattung für Medikamente, die aus dem Internet im Versandhandel bezogen werden, gegen geltendes Recht, insbesondere gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) verstoße und daher zu unterlassen sei.

Mit Schreiben vom 27.12.2001 ersuchte der Antragsgegner die Antragstellerin um Stellungnahme zu einem Artikel in der Mitgliederzeitschrift der Antragstellerin, in dem (unter Angabe auch der Internet-Adresse) auf die Möglichkeit, Medikamente bei ... zu bestellen und sich durch einen Paketdienst ausliefern zu lassen, hingewiesen wird, verbunden mit dem Hinweis, dass bei dieser Bezugsweise von den Versicherten keine Zuzahlungen mehr zu leisten seien.

Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 02.01.2002 dem Antragsgegner mit, ihr sei bekannt, dass sie modellhaft, wie viele andere Krankenkassen -- auch von der Politik positiv begleitet -- neue Wege suchen müsse, um der allseits beklagten Kostenentwicklung in diesem Bereich entgegenzuwirken und moderne Versorgungswege zu nutzen. Dies tue sie und verweise im übrigen auf die bekannte rechtliche Diskussion zu dieser Frage.

Mit Schreiben vom 19.02.2002 (entsprechende Schreiben ergingen an 24 weitere Krankenkassen), ausdrücklich gestützt auf § 89 SGB 4 , wiederholte der Antragsgegner seinen Hinweis auf den s.E. vorliegenden Verstoß gegen geltendes Recht und forderte die Antragstellerin auf, innerhalb von 3 Wochen zu bestätigen, dass sie der Versandhandel mit Medikamenten künftig nicht mehr fördern und insbesondere in diesem Zusammenhang keine Kostenerstattungen mehr vornehmen werde. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist sei beabsichtigt, einen entsprechenden Verpflichtungsbescheid zu erlassen, wobei damit zu rechnen sei, dass dessen sofortige Vollziehung angeordnet werde. Auch dazu sei Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der o.g. Frist.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2002 wiederholte die Antragstellerin, sie arbeite auf der Basis der schriftlichen Absprache mit ... zusammen. Sie sei der Auffassung, dass ... keinen Versandhandel im Sinne des § 43 AMG betreibe und bitte um Verständnis für ihre Haltung, die sie in erster Linie im Interesse ihrer Versicherten aufrechterhalten wolle.

Unter dem 08.05.2002 erließ der Antragsgegner den angekündigten Bescheid, in dem die Antragstellerin verpflichtet wird,

I.

es zu unterlassen, ihre Versicherten auf die Möglichkeit des Bezuges von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung hinzuweisen, die im Wege des Versandhandels durch fernmündliche, schriftliche oder Bestellung im Internet erworben werden,

II.

ihren Versicherten Kosten für apothekenpflichtige Arzneimittel, die über einen Versandhandel erworben wurden, weder ganz noch teilweise zu erstatten oder im Wege der Direktabrechnung zu tragen;

III.

die "Verfahrensregelung zur qualitätsgesicherten Arzneimittelversorgung der Versicherten" ... an 08. Oktober 2001 unverzüglich zu kündigen.

Ferner wird die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet.

Mit Schriftsatz vom 17.05.2002, eingegangen bei Gericht am 21.05.2002, beantragt die Antragstellerin

1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16.05.2002 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 08.05.2002 wiederherzustellen/anzuordnen,

2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Sie trägt weiter vor, ein Versandhandel im Sinne des § 43 AMG liege nicht vor. Aber auch wenn dieser anzunehmen sei, greife jedenfalls die Ausnahmevorschrift des § 73 Abs.2 Nr.6a AMG ein. Diese Vorschrift anders auszulegen, sei mit europäischem Recht, insbesondere Art.28 EGV, nicht vereinbar. Die sog. Schutzklausel in Art. 30 EGV rechtfertige ebenfalls keine andere Ausleg...

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