Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenzahnärztliche Vereinigung. Wahlen. Besetzung des Haupt-, Finanz- und Satzungsausschusses. Verletzung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit

 

Orientierungssatz

1. Der vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 = BVerfGE 80, 188, 222, vom 16.7.1991 - 2 BvE 1/91 = BVerfGE 84, 302, 323 und vom 3.12.2002 - 2 BvE 3/02 = BVerfGE 84, 302, 323 aufgestellte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit wird bei Wahlen verletzt, wenn der prozentuale Anteil bestimmter Fraktionen bei der Besetzung des Haupt-, Finanz- und Satzungsausschusses einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) 20 Prozent beträgt, obwohl in diesen Fraktionen insgesamt 40 Prozent der Mitglieder der KZV zusammengeschlossen sind.

2. Die Mitglieder der Mehrheitsfraktion können sich für die Rechtfertigung eines derartigen Wahlergebnisses nicht auf die Grundsätze der Allgemeinheit, Freiheit oder Gleichheit der Wahl iS des Art 38 GG berufen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.02.2015; Aktenzeichen B 6 KA 4/14 R)

 

Tenor

Die in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vom 04.12.2010 durch geführten Wahlen der Mitglieder für den Hauptausschuss, für den Finanzausschuss und für den Satzungsausschuss werden für ungültig erklärt.

Die Beklagte wird verpflichtet, bis zum 31.12.2014 nach Maßgabe der im Dezember 2010 gültigen Regelung in § 24 Abs. 6 der Satzung der Beigeladenen zu 2) Neuwahlen zu diesen Ausschüssen durchzuführen. Bis zur Neuwahl bleiben die bisher gewählten Mitglieder der Ausschüsse in ihren  Ämtern. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Ungültigkeit der in der konstituierenden Sitzung der Beklagten vorgenommenen Wahlen für die weiteren Mitglieder der Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) (Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung) sowie der Mitglieder für die bei der Beigeladenen zu 2) (Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe) gebildeten Ausschüsse.

Der Kläger ist mit dem Praxissitz in C. zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist Mitglied der Beklagten und Vorsitzender der Fraktion “Unabhängige Freie Zahnärzte (UFZ)„. In der beklagten Vertreterversammlung sind aufgrund der Wahlen für die Wahlperiode 2011 bis 2016 drei Fraktionen mit folgender Stärke vertreten:

1. Freier Verband Deutscher Zahnärzte:

29 Vertreter

2. Unabhängige Freie Zahnärzte:

11 Vertreter

3. Freie Zahnärzte in Westfalen-Lippe

9 Vertreter

Weiterhin wurde ein fraktionsloser Vertreter gewählt.

Die konstituierende Sitzung der Beklagten fand am 04.12.2010 statt. Nach § 24 Abs. 1 der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Satzung waren durch die beklagte Vertreterversammlung folgende Ausschüsse zu berufen:

1. Hauptausschuss

2. Satzungsausschuss

3. Finanzausschuss.

Nach § 24 Abs. 6 der im Zeitpunkt der konstituierenden Sitzung der Beklagten maßgeblichen Satzung der Beigeladenen zu 2) sind die Fraktionen in den Ausschüssen angemessen zu berücksichtigen.

Als Delegierte zur Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) wurden Dr. L. L. und N. C., beide Mitglieder der Fraktion des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte gewählt.

Der Hauptausschuss besteht aus sieben stimmberechtigten Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden der Vertreterversammlung. Von diesen sieben Mitgliedern gehören sechs Mitglieder der Fraktion des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte und ein Mitglied der Fraktion Unabhängige Freie Zahnärzte an.

In den aus neun Mitgliedern bestehenden Finanzausschuss wurden sieben Angehörige der Fraktion des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte und jeweils ein Mitglied der Fraktion Unabhängige Zahnärzte und der Fraktion Freie Zahnärzte in Westfalen-Lippe gewählt.

Der Satzungsausschuss ist mit acht gewählten Mitgliedern besetzt. Sechs dieser Mitglieder gehören der Fraktion des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte und jeweils ein Mitglied den anderen in der Beklagten gebildeten Fraktionen an.

Mit Schreiben vom 04.01.2011 erklärte der Kläger gegenüber dem Landeswahlausschuss der Beigeladenen zu 2) die Anfechtung der Vertreterwahl am 04.12.2010. Der Kläger wies zur Begründung seines Antrags darauf hin, dass nach § 80 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Wahlen der Delegierten zur Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 1) nach den Grundsätzen der Verhältniswahl aufgrund von Listen und Einzelvorschlägen zu erfolgen habe. Die Beigeladene zu 2) teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.01.2011 mit, dass eine Wahlanfechtung gegenüber dem Vorsitzenden des Landeswahlausschusses ausschließlich bei der Wahl zur Vertreterversammlung gemäß § 23 Abs. 1 der maßgeblichen Wahlordnung vorgesehen sei. Da die Wahlanfechtung sich jedoch nicht gegen diese Wahlen richte, sei eine Zuständigkeit des Landeswahlausschusses nicht gegeben. Die Anwendung des Verhältniswahlrechts in der konstituierenden Sitzung am 04.12.2010 hätte zur Folge gehabt, dass die zur...

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