Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Befreiung von der Versicherungspflicht für einen Syndikusrechtsanwalt. Zulässigkeit einer rückwirkenden Befreiung bei vorangegangener Ablehnung eines Befreiungsantrags. Berücksichtigung des Einkommens aus einer abhängigen Beschäftigung bei der Prüfung der Erfüllung der Beitragspflicht zum Versorgungswerk
Orientierungssatz
Eine rückwirkend mögliche Befreiung eines Syndikusrechtsanwalt von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk der Rechtsanwälte ist auch dann vorzunehmen, wenn der Rechtsanwalt im maßgeblichen Zeitraum lediglich den Mindestbeitrag zum Versorgungswerk entrichtet hat. Dagegen ist eine Beitragszahlung aus dem durch die versicherungsrelevante Beschäftigung bezogenen Einkommen gerade nicht erforderlich (Fortführung: SG Münster, Urteil vom 6.11.2018, Az.: S 24 R 565/18). Eine rückwirkende Befreiung scheidet lediglich dann aus, wenn durch früheren Bescheid, der vor dem 04.04.2014 in formeller Bestandskraft erwachsen ist, bereits einmal ein Befreiungsantrag abgelehnt worden ist.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.1.2019, mit dem die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für den Zeitraum bis einschließlich März 2014 abgelehnt wurde, verpflichtet, den Kläger wegen seiner ab dem 1.8.2012 bei X. auf Gegenseitigkeit ausgeübten Beschäftigung für die Zeit ab dem 1.8.2012 bis einschließlich März 2014 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 231 Abs. 4b Satz 1 und 4 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen einer rückwirkenden Befreiung des Klägers von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 4b Satz 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Der Kläger ist Assessor und seit dem 1.4.2012 zugelassener Rechtanwalt. Zudem ist er seit dem 1.8.2012 bei X. beschäftigt. Er war und ist - zunächst jedenfalls für seine selbst-ständige Tätigkeit - Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen.
Er beantragte am 21.11.2012 eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversiche-rungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bei der Beklagten für seine Tätigkeit bei X ... Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.4.2013 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 15.10.2013 ab. Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialge-richt Münster nahm der Kläger mit Schreiben vom 19.3.2019 zurück.
Mit Schreiben vom 21.3.2016 beantragte er bei der Rechtsanwaltskammer Hamm die Zu-lassung als Syndikusrechtsanwalt und - nunmehr in Verbindung mit § 231 Abs. 4b SGB VI - eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bei der Beklagten für seine Tätigkeit bei X ... Es erfolgte eine Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsan-walt durch die Rechtsanwaltskammer Hamm. Mit Bescheid vom 30.8.2017 befreite die Beklagte den Kläger auf seinen Antrag vom 23.3.2016 hin von der gesetzlichen Renten-versicherungspflicht für seine Tätigkeit bei X. gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI mit Wirkung vom 22.3.2016 an. Mit Bescheid vom 28.11.2018 befreite die Beklagte den Klä-ger von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht wiederum für den Zeitraum vom 1.4.2014 bis einschließlich 21.03.2016 gemäß § 231 Abs. 4b Satz 1 und 3 SGB VI. Mit Bescheid vom 27.11.2018 versagte die Beklagte eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1.8.2012 bis zum 31.3.2014. Sie begründete dies damit, dass der Kläger nicht die von § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI geforderten ein-kommensbezogenen Beiträge an das zuständige Versorgungswerk gezahlt habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als un-begründet zurück. Der Kläger habe nur freiwillige Beiträge an das Versorgungswerk ge-leistet, somit lägen einkommensbezogene Beiträge nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger beantragt wörtlich, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2019, mit dem die Befreiung von der Renten-versicherungspflicht für den Zeitraum bis einschließlich März 2014 abgelehnt wurde, zu verpflichten, den Kläger ab dem 01.08.2012 bis einschließlich März 2014 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 231 Abs. 4b Satz 1 und 4 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält ihre Verwaltungsentscheidung, insbesondere hinsichtlich der Befrei-ungsmöglichkeit des Klägers nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, weiterhin für rechtmäßig. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sinn und Zweck der Regelung sei es, für Sy...