Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Nachweis der Verletzung einer Beratungspflicht zur Begründung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs

 

Orientierungssatz

1. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt u. a. den Nachweis eines Beratungsfehlers durch die angegangene Behörde oder eine andere Stelle voraus, welcher der Behörde zuzurechnen ist.

2. Hierzu ist erforderlich, dass eine Auskunfts- oder Beratungspflicht verletzt worden ist. Im Einzelfall ist der Rentenversicherungsträger bei entsprechendem Vortrag des Versicherten verpflichtet, diesen zur Stellung eines Antrags auf Altersrente wegen Schwerbehinderung anzuhalten. Kann der Versicherte den Nachweis für eine von diesem gemachte entsprechende Information des Rentenversicherungsträgers nicht führen, so ist die Gewährung von Altersrente für Schwerbehinderte im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die am 00.00.1935 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Altersrente bereits ab Juli 1995 statt ab 01.08.1997.

Mit Urteil vom 22.06.1994 wies das SG Münster - S 8 (6) J 75/91 - die Klage auf Gewährung von Rente wegen einer Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit ab. Es folgten eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Beklagte. Außerdem meldeten sich die Bild-Zeitung und der Petitionsausschuß des Landtages.

Am 05.08.1997 stellte die Klägerin einen Rentenantrag wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als Schwerbehinderte anerkannt sind. Sie fügte ein Angebot des Landesversorgungsamts NRW vom 16.07.1997 aus dem Klageverfahren S 10 Vs 12/96 SG Münster bei, wonach die Feststellung eines GdB von 60 ab Antragstellung (29.05.1995) angeboten wurde. Mit Rentenbescheid vom 22.08.1997 gewährte die Beklagte der Klägerin Altersrente ab 01.08.1997. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte aus, im Mai 1995 habe ihr Ehemann die Rentenberatung in C. in Anspruch genommen. Man habe erklärt, eine Antragstellung erübrige sich vor Ablauf des Verfahrens mit dem Versorgungsamt, da eine positive Entscheidung des Versorgungsamts Voraussetzung für einen Rentenbescheid sei. Wegen der falschen Auskunft sei ein Rentenverlust von 2 Jahren und 2 Monaten eingetreten. Man hätte ihm raten müssen, den Rentenantrag vorsorglich im Mai 1995 zu stellen. Zu diesem Vorbringen nahm die Stadt C. unter dem 13.10.1997 Stellung, wonach der Ehemann der Klägerin des öfteren Gespräche mit Versicherungsstellen geführt habe. Über Zeitpunkte und Inhalte würden grundsätzlich keine Nachweise geführt. Er sei öfter auf die LVA-Sprechtage im Rathaus hingewiesen worden. Ob und wann eine solche Beratung in Anspruch genommen worden sei, könne nicht gesagt werden. Namentliche Terminslisten würden erst seit dem 19.12.1995 geführt. Die Beklagte vermerkte, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Sie führte aus, ein Beratungsgespräch im Jahre 1995 sei nicht feststellbar, ein rechtswidriges Verhalten könne nicht erkannt werden.

Am 16.01.1998 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, beim Beratungsgespräch sei der Ehemann aufgefordert worden, einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zu stellen. Nach der Feststellung könne der Rentenantrag gestellt werden. Der Antrag sei gestellt und mit Bescheid vom 12.07.1995 abgelehnt worden. Der Ehemann sei auf dem Sprechtag im Rathaus gewesen, der ausweislich der Liste am 25.04.1995 stattgefunden habe. Während einer Kur in G. 1995 hätten die Ärzte ihr mitgeteilt, der GdB betrage mindestens 50. Ihr Ehemann habe einem Mitarbeiter der Beklagten den Arztbrief vorgelegt und auf die 50% hingewiesen, um einen Rentenantrag zu stellen. Ihm sei gesagt worden, das sei nicht ausreichend, es bedürfe einer Bestätigung durch das Versorgungsamt. Auf Anforderung des Gerichts hat die Klägerin Erklärungen ihres Ehemannes vom 31.03. und 17.04.1998 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Bescheides vom 22.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.12.1997 die Beklagte zu verurteilen, ihr bereits ab 01.07.1995 Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, es sei keine fehlerhafte Beratung erfolgt, wenn denn überhaupt eine Beratung stattgefunden habe. Ein Verfahren beim Versorgungsamt sei nicht anhängig gewesen. Es wäre nicht angemessen gewesen, ins Blaue hinein zu einem Antrag auf Rente wegen Schwerbehinderung zu raten. Sie legt eine Liste von Sprechtagen in C. vor.

Das Gericht hat die SchwbG-Akten des Versorgungsamts Münster, die Akten S 11 Vs 12/96 SG Münster und die Akten S 8 (6) J 75/91 SG Münster beigezogen. Mit Gerichtsbescheid vom 24.06.1998 hat es die Klage abgewiesen. Es hat einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Ein Beratungsfehler sei nicht feststellbar. Das Beratungsgespräch könne weder zeitlich...

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