Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes
Orientierungssatz
1. Nach § 136 Abs. 1 SGB 3 a. F. ist das Bemessungsentgelt zur Ermittlung des zu zahlenden Arbeitslosengeldes nach Maßgabe des Abs. 3 um die gesetzlichen Entgeltabzüge zu vermindern, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen.
2. Nach § 136 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 a. F. ist bei der Bestimmung der pauschalierten Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, generell die Kirchensteuer zu berücksichtigen. Für den Ansatz der Kirchensteuer kommt es weder darauf an, ob der Arbeitslose einer kirchensteuererhebenden Kirche angehört, noch ist Raum für eine Berücksichtigung regionaler Unterschiede bei der Kirchenzugehörigkeit.
3. Die geltende Regelung ist verfassungsgemäß bis zum 31. 12. 2004. Der Gesetzgeber hat bei der Ermittlung des Leistungsentgelts auf die Kirchensteuer als Rechengröße ab 1. 1. 2005 verzichtet.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Berechnung seines Arbeitslosengeldes ab 01.08.2002. Ihm wurde Arbeitslosengeld bewilligt nach einem Bemessungsentgelt von 1.050,- EUR wöchentlich, der Leistungsgruppe A und dem allgemeinen Leistungssatz, welches zu einer wöchentlichen Leistung von 316,12 EUR führte.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, da er nicht damit einverstanden war, dass ein Pauschalabzug von 8 % aus der Lohnsteuer für die Kirchensteuer vorgenommen wurde. Er zahle keine Kirchensteuer.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15.11.2002 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass das Bemessungsentgelt um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, vermindert werde. Zur Berechnung des Arbeitslosengeldes werde also ein pauschaliertes Netto-Arbeitsentgelt ermittelt. Dabei würden aber nicht die jeweiligen individuellen Abzüge berücksichtigt, sondern ein für das jeweilige Brutto-Arbeitsentgelt typischer Pauschalbetrag, der die gewöhnlich bei Arbeitnehmern anfallenden Abzüge errechne. Es würden also die Abzüge berücksichtigt, denen ein durchschnittlicher, für die Mehrheit repräsentativer Arbeitnehmer, mit gleichem Brutto-Arbeitsentgelt unterliege. Die Leistungsentgelte würden jährlich durch die SGB III-Leistungsentgeltverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung einheitlich für das gesamte Bundesgebiet bestimmt. Zu den gewöhnlich anfallenden Entgeltabzügen gehöre neben den Sozialversicherungsbeiträgen, der Lohnsteuer, dem Solidaritätszuschlag auch die Kirchensteuer, weil diese von der überwiegenden Zahl der Arbeitnehmer zu entrichten seien (§ 136 Sozialgesetzbuch 3. Buch - SGB III). Entsprechend § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III sei bei der Ermittlung des Leistungsentgelts als rechnerischer Lohnabzug für die Kirchensteuer die Steuer nach dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatz zugrunde zu legen. Es sei somit auch rechtlich unerheblich, ob der einzelne Arbeitslose als Arbeitnehmer Kirchensteuer entrichtet habe.
Diese gesetzliche Regelung sei auf die Besonderheiten der Arbeitslosenversicherung zugeschnitten. Sie solle sicher stellen, dass der Arbeitslose während der Arbeitslosigkeit eine Leistung erhalte, die sich an dem vor der Arbeitslosigkeit erzielten Arbeitsentgelt ausrichte. Andererseits sei es wichtig, dass das Arbeitslosengeld schnell bewilligt und ausgezahlt werden könne. Die Regelungen des SGB III stellten hierbei einen angemessenen Kompromiss zwischen beiden Prinzipien dar. Die Pauschalierung der Abzüge vermeide im Interesse einer schnellen Bewilligung der Lohnersatzleistung umfangreiche Feststellungen über persönliche Verhältnisse des Antragstellers und ermögliche die Verwendung einfach zu handhabender Leistungstabellen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits mit Beschluss vom 23.03.1994 entschieden, dass der pauschale Abzug in Höhe des Kirchensteuer-Hebesatzes, auch bei Arbeitslosen, die keiner Kirche angehören, rechtmäßig sei. Es habe festgestellt, dass dieser Abzug mit dem Grundgesetz vereinbar sei, solange eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer Kirche, die Kirchensteuer erheben dürfe, angehöre. Der Gesetzgeber sei aufgefordert worden, die Entwicklung der Zahl der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer zu beobachten, und dann mit einer Änderung der entsprechenden Vorschrift zu reagieren, wenn feststehe, dass im Bundesgebiet nicht mehr eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer einer Kirche angehöre.
In Anlehnung an diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gehe das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass trotz rückläu-figer Tendenz der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer noch keine Änderung des pau-schalen Abzuges bei Arbeitslosen erforderlich sei. Zum Jahresende 1999 seien nach den Meldungen der Evangelischen Kirche Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz 65,6 % der...