Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialverwaltungsrecht: Zugang eines Widerspruchsschreiben: Nachweis des Zugangs bei einem Faxversand
Orientierungssatz
Enthält der Sendebericht eines Faxgerätes lediglich einen OK-Vermerk für eine Faxsendung, ohne dass auch die Telefonnummer des empfangenden Faxgerätes ausgewiesen wird, genügt dies nicht als Nachweis des Zugangs eines Schreibens an die Behörde (hier: Widerspruchsschreiben).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die (vermeintliche) Untätigkeit des Beklagten im Rahmen der Gewährung von (passiven) Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Mit Bescheid vom 21. September 2015 gewährte der Beklagte der seit einigen Jahren im Leistungsbezug bei ihm stehenden Klägerin passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Hiergegen erhob die (anwaltlich vertretenen) Klägerin - nach ihrem Vortrag - mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 per Telefax Widerspruch.
Mit bei dem Sozialgericht Neuruppin am 25. Januar 2016 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage hat die Klägerin unter Beifügung des Schreibens vom 22. Oktober 2015 Untätigkeitsklage erhoben: Der Beklagte habe über den Widerspruch vom 22. Oktober 2015 ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten entschieden.
Nachdem der Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens den Zugang des Schreibens vom 22. Oktober 2015 in Abrede gestellt hatte, führte die Klägerin unter Vorlage eines Telefaxsendeberichtes, der einen „OK“-Vermerk - jedoch ohne Angabe der vollständigen Nummer des Empfangsgerätes - trägt und im unteren Bereich einen Auszug des Widerspruchsschreibens vom 22. Oktober 2015 enthält, zur Begründung ihre Begehrens ua aus, die Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst habe das Telefax an die Telefaxnummer des Beklagten 03301 601 85157 versendet. Das Faxgerät werfe jedoch nur die auf dem Protokoll vermerkte Telefaxnummer des Empfängers aus. Klar sei auch, dass ein Sendevorgang stattgefunden habe: Die Sendedauer von 45 Sekunden entspreche 2 Faxseiten, nämlich dem Widerspruch selbst und der Vollmacht, die dem Widerspruch beigeschlossen gewesen sei. Sollte der Beklagte ein Faxempfangsprotokoll nicht vorlegen können, ginge dies zu seinen Lasten. Hierneben legte die Klägerin weitere Übertragungsprotokolle mit der identischen unvollständigen Empfangsnummer vor. Hierzu ergänzt sie, es handele sich um bei dem Beklagten nachweislich eingegangene Telefaxsendungen, obwohl im Übertragungsprotokoll ebenfalls nur eine unvollständige Telefaxnummer vermerkt sei.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
den Beklagten zu verpflichten, den Widerspruch der Klägerin vom 22. Oktober 2015 gegen die mit dem Bescheid des Beklagten vom 21. September 2015 verlautbarten bewilligenden Verfügungen, zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält sie für unzulässig. Der Beklagte sei nicht untätig; der von der Klägerin behauptete Widerspruch liege nicht vor; dem Aktenvorgang sei ein solcher Widerspruch nicht zu entnehmen. Der Klägerin obliege die objektive Beweislast dafür, dass der hier streitgegenständliche Widerspruch bei dem Beklagten auch zugegangen sei. Allein das Sendeprotokoll stelle keinen Zugangsnachweis dar, schon gar nicht, wenn auf diesem die „richtige“ Telefaxnummer nicht ersichtlich sei. Auch die weiteren vorgelegten Sendeprotokolle seien denkbar ungeeignet, weil es die eigene Behauptung der Klägerin nicht stütze.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 08. Oktober 2019 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 08. Oktober 2019 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind und zu der eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten nicht erforderlich ist, hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin am 25. Januar 2016 erhobene Untätigkeitsklage ist bereits unzulässig. Eine Untätigkeitsklage ist gemäß § 88 Abs 1 S 1 SGG zulässig, wenn (1) ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes vorliegt, (2) hierüber noch nicht entschieden worden ist und (3) seit Stellung dieses Antrages sechs Monate verstrichen sind (sog Sperrfrist). Gemäß § 88 Abs 2 SGG gilt d...