Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Erstattungsfähigkeit von privaten Fahrtkosten eines Versicherten zu ambulanten medizinischen Behandlungen
Orientierungssatz
Private Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung stellen keine Kosten der Krankenbehandlung im Rahmen einer gesetzlichen Krankenversicherung dar, sodass ein Erstattungsanspruch eines Versicherten gegen die Krankenkasse nicht besteht. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn eine Beförderung zu einer Therapiemaßnahme mit hoher Behandlungsfrequenz zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist und die Krankenkasse der Kostenübernahme auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung vorab zugestimmt hat.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten für eine am 29. September 2016 durchgeführte Fahrt mit dem eigenen Kraftfahrzeug zu einer ambulanten kinderchirurgischen Behandlungsmaßnahme wegen einer Fingerverletzung ihres im Juni 2012 geborenen Sohnes, die diese für ihn verauslagt hat.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort unter der Überschrift „Sachverhalt“) des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Oktober 2019, mit dem diese den Widerspruch der Klägerin vom 02. November 2016 gegen die auf den klägerischen Antrag vom 29. September 2016 - bei der Beklagten eingegangen am 05. Oktober 2016 - ergangene ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 11. Oktober 2016 als unbegründet zurückgewiesen hat. Wegen der Begründung der Beklagten verweist die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 3 SGG iVm § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 3 (dort unter der Überschrift „Begründung:“) des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 16. Oktober 2019.
Mit Schriftsatz vom 18. November 2019 - bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangen am gleichen Tage - hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Kostenerstattung für von ihr für ihren Sohn verauslagte Fahrtkosten zu der ambulanten Behandlung ihres Sohnes am 29. September 2016 weiter verfolgt. Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, die Klägerin sei von der angegriffenen Entscheidung beschwert und klagebefugt, der Ausgangsbescheid beziehe sich eindeutig auf die von der Klägerin verauslagten Fahrtkosten, sie sei auch Adressatin des Bescheides. Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen seien grundsätzlich übernahmefähig. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Sohn der Klägerin zum Behandlungszeitpunkt erst vier Jahre alt gewesen sei und unterliege deshalb mit den von der Beklagten geforderten Merkzeichen vergleichbaren Mobilitätseinschränkungen. Die Behandlung sei zwingend notwendig und wohnortnah nicht zu realisieren gewesen, was durch den behandelnden Arzt bestätigt worden sei. Schließlich hätten der Familie keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden, um die Fahrt zu realisieren.
Hierneben hat die Klägerin für die Fahrt zu weiteren ambulanten kinderchirurgischen Behandlungsmaßnahmen wegen der Fingerverletzung ihres Sohnes am 19. September 2016 sowie am 20. Oktober 2016 ebenfalls Klagen erhoben, die unter den gerichtlichen Aktenzeichen S 20 KR 261/19 (ambulante Behandlung vom 20. Oktober 2016) und S 20 KR 263/19 (ambulante Behandlung vom 19. September 2016) registriert worden sind, und über die die Kammer mit Gerichtsbescheiden vom heutigen Tage ebenfalls entschieden hat.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung der mit dem Bescheid vom 11. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2019 verlautbarten ablehnenden Verfügung zu verurteilen, ihr die von ihr für ihren Sohn verauslagten Fahrtkosten zu dessen ambulanter Behandlung vom 29. September 2016 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages nimmt sie zunächst auf ihre Erwägungen in den angegriffenen Verfügungen Bezug. Ergänzend meint sie, eine Erstattung der geltend gemachten Fahrtkosten sei nicht möglich, weil dies nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht komme, ein solcher Ausnahmefall entsprechend der Regelung des § 8 Abs 2 der Krankentransport-Richtlinie liege jedoch nicht vor.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 27. März 2020 und mit Verfügung vom 13. August 2020 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klagen, über die die Kammer gemäß ...