Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Verletzung der Pleura im Rahmen einer offen-chirurgischen Nierenteilresektion bei klarzelligem Nierenzellkarzinom. Kodierung der Nebendiagnose S27.6 ergänzt durch den Zusatz-Code Y69! anstatt der Nebendiagnose T81.2. Vorrangigkeit des spezifischeren Kodes. Einordnung in die ICD-10-GM am Krankheitsgeschehen, weniger an der Ursache der Erkrankung. keine zulässige Mehrfachkodierung. Vorrang der Kodier-Richtlinien (DKR) bei bestehendem Widerspruch zwischen ICD-10-GM und DKR

 

Orientierungssatz

1. Nach der Regelung D015n der Kodier-Richtlinie (DKR) 2015 sind sowohl die in der dortigen Tabelle 1 enthaltenen Kodes für die spezifische Verschlüsselung von Erkrankungen bzw Störungen nach medizinischen Maßnahmen ebenso wie die Kategorien T80-T88 "Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, andernorts nicht klassifiziert" nur dann als Hauptdiagnose - respektive hier als Nebendiagnose - zu verschlüsseln, "wenn kein spezifischerer Kode in Bezug auf die Erkrankung bzw Störung existiert oder die Verschlüsselung dieses spezifischeren Kodes durch ein Exklusivum der ICD-10-GM ausgeschlossen ist".

2. Dies zugrunde gelegt ist es korrekt, die Nebendiagnose S27.6 (Verletzung der Pleura) ggf ergänzt durch den (nicht erlösrelevanten) Zusatz-Code Y69! (Zwischenfälle bei chirurgischem Eingriff und medizinischer Behandlung) und nicht die Nebendiagnose T81.2 zu kodieren (vgl LSG Mainz vom 7.2.2019 - L 5 KR 165/17 = juris RdNr 27ff).

3. Es ist schlüssig, die Einordnung in die ICD-10-GM am Krankheitsgeschehen auszurichten und weniger an der Ursache der Erkrankung. Die Erkrankung bestimmt, welche Therapie durchgeführt werden muss und damit auch, welche Vergütung das Krankenhaus verlangen kann. Die Ätiologie einer Erkrankung ist für die Frage, welche Leistungen das Krankenhaus erbracht hat, von untergeordneter Bedeutung. Liegt - wie im vorliegenden Fall - ein exakt die bei den Patienten vorliegende Erkrankung abbildender ICD-Kode (nämlich S27.6 "Verletzung der Pleura") vor, so muss dieser vorrangig vor demjenigen Kode sein, der zwar im Hinblick auf die Ätiologie spezifisch ist, aber die Erkrankung nicht exakt abbildet.

4. Es handelt sich bei der Kodierung von T81.2 neben S27.6 nicht um einen Fall der zulässigen Mehrfachkodierung.

5. Besteht ein Widerspruch zwischen ICD-10-GM und Kodier-Richtlinien haben die Kodier-Richtlinien Vorrang.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 1.498,38 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.498,38 EUR. Im Kern geht es um die Kodierung des ICD-10-GM T81.2 als Nebendiagnose.

Die Klägerin betreibt das Klinikum A-Stadt, welches in den Krankenhausplan des Freistaats B. eingetragen ist. In diesem behandelt sie auch Patienten der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse.

Unter anderem behandelte sie in der Zeit 03.08.2015 - 12.08.2015 die bei der Beklagten versicherte Frau D., geboren 1938. Die Patientin wurde am 03.08.2015 in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen mit der Diagnose klarzelliges Nierencellkarzinom rechts. Es wurde eine offen-chirurgische Nierenteilresektion vorgenommen. Im Rahmen des operativen Eingriffs zeigte sich eine Verletzung der Pleura. Diese wurde laut dem Operationsbericht vom 04.08.2015 übernäht. Der Operationsbericht lautet diesbezüglich: "Linksseitenlage. Flankenschnitt nach Bergmann-Israel. Die Pleura ist auf ca. 5 cm sichtbar. Ein kleines Löchlein wird mit 4x0 Vicryl übernäht. Ansonsten Präparieren der Pleura von caudal. (...)".

Für die Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten am 20.08.2015 einen Betrag in Höhe von 8.174,14 EUR in Rechnung. Dieser wurde von der Beklagten zunächst voll beglichen. Abgerechnet wurde die DRG L13A. Zu Grunde gelegt hat die Klägerin die Hauptdiagnose C64R (Bösartige Neubildung der Niere) und die Nebendiagnose T81.2 (Versehentliche Stich- oder Risswunde während eines Eingriffes, anderenorts nicht klassifiziert).

Da die Beklagte Zweifel an der ordnungsgemäßen Rechnungslegung hatte, beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Frage, ob die Nebendiagnosen korrekt seien. Der Gutachter vom MDK kam in seinem Gutachten vom 14.11.2015 zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin angesetzte Nebendiagnose T81.2 nicht zu akzeptieren sei. Diagnosen seien so spezifisch wie möglich zu kodieren. Die intraoperative Verletzung der Pleura sei abzubilden durch den Kode S27.6 (Verletzung der Pleura). Der Zusammenhang mit dem chirurgischen Eingriff könne durch den Zusatz Code Y69! (Zwischenfälle bei chirurgischem Eingriff und medizinischer Behandlung) abgebildet werden. Es ergebe sich dann die DRG L13B.

Mit Schreiben vom 17.11.2015 kündigte die Beklagte an, die Nebendiagnose T81.2 in S27.6 zu ändern und den streitigen Rechnungsbetrag in Höhe von 1.498,38 EUR zu verrechnen. Mit Zahlungsavis vom 17.11.20...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge