Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Kodierung. Einordnung in die ICD-10-GM. Ausrichtung am Krankheitsgeschehen, weniger an der Ursache der Erkrankung

 

Orientierungssatz

Die Einordnung in die ICD-10-GM ist am Krankheitsgeschehen auszurichten und weniger an der Ursache der Erkrankung. Die Erkrankung bestimmt, welche Therapie durchgeführt werden muss und damit auch, welche Vergütung das Krankenhaus verlangen kann. Die Ätiologie einer Erkrankung ist für die Frage, welche Leistungen das Krankenhaus erbracht hat, von untergeordneter Bedeutung. Liegt - wie im vorliegenden Fall - ein exakt die bei den Patienten vorliegende Erkrankung abbildender ICD-Kode (hier: S36.41 "Verletzung des Duodenums") vor, so besteht nicht die Notwendigkeit eines Kodes, der zwar im Hinblick auf die Ätiologie spezifisch ist, aber die Erkrankung nicht exakt abbildet (hier: T81.2 "Versehentliche Stich- oder Risswunde während eines Eingriffes, anderenorts nicht klassifiziert").

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

III. Der Streitwert wird auf 2514,25€ festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin betreibt das Stadtkrankenhaus A-Stadt, welches in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern eingetragen ist. In diesem behandelt sie auch Versicherte der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenversicherung.

Unter anderem wurde die bei der Beklagten gesetzlich versicherte Frau D. in der Zeit vom 24.11.2010 bis 09.12.2010 stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt.

Am 25.11.2010 wurde ein ERCP (endoskopisch retrograde Cholangiopankretikographie) durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchung kam es zu einer kleineren retroduadenalen Perforation. Die Klägerin rechnete diesen Aufenthalt unter Zugrundelegung der DRG H41A mit insgesamt 6.036,58€ ab (Rechnung vom 24.02.2011).

Die Beklagte zahlte auf die Rechnung. Danach beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung.

Dieser kam in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose T81.2 (versehentliche Stich- oder Risswunde während eines Eingriffs andernorts nicht klassifiziert) nicht in Ansatz zu bringen sei.

Die DRG änderte sich dadurch in H41B.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass man entsprechend der Kodierung des MDK um eine Korrektur der Rechnung bitte.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 26.01.2012 hiergegen Widerspruch. Bei der ERCP sei es intraoperativ zur Duodenumperforation gekommen. Es sei ein Clipverschluss erfolgt. Damit sei die Diagnose T81.2 aus Sicht der Klägerin korrekt kodiert, da der entsprechende Aufwand (Clip-Verschluss) stattgefunden habe.

Die Beklagte beteiligte noch einmal den MDK. Im Gutachten vom 08.03.2013 wurde auf die Kodierung des spezifischeren Kodes S36.42 verwiesen.

Mit Schreiben vom 04.04.2013 forderte die Beklagte die Klägerin nochmals zur Korrektur der Rechnung auf.

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 17.04.2013 geltend, dass der Kode S36.42 an keiner Stelle eine intraoperative Verletzung bezeichne. Deshalb sei nach DKR D012i (Für bestimmte Situationen ist eine andere Form der Doppelklassifizierung als die des Kreuz-Stern-Systems anwendbar, um den Gesundheitszustand einer Person vollständig zu beschreiben.) der Kode mit anzugeben.

Unter dem 15.09.2014 erfolgte daraufhin ein weiteres Gutachten des MDK. Hier wird ausgeführt, dass analog der DKR und der KDE Nr. 78 der SEG4 der medizinische Sachverhalt über die Nebendiagnose S36.42 spezifisch abgebildet sei. Spezifisch zur Lokalisation und Art der Erkrankung. Ergänzt werden könne als Nebendiagnose die Y69! zur näheren Beschreibung "Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme".

Mit Zahlungsavis vom 27.11.2014 verrechnete die Beklagte ihren Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.514,25€ mit unstreitigen Forderungen der Klägerin.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27.09.2017 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg.

Zunächst berief sich die Klägerin darauf, dass keine im Sinne der BGB-Vorschriften wirksame Aufrechnungserklärung vorliege und somit keine wirksame Aufrechnung durchgeführt worden sei.

Des Weiteren bestehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch.

Im zugrundeliegenden Behandlungsfall habe die Patientin im Rahmen der durchgeführten ERCP eine kleinere retroduadenale Perforation erlitten. Die Verletzung des Organs als solche sei mit der S36.42 abgebildet worden.

Zusätzlich seien die genauen Umstände der Verletzung, nämlich der Umstand, dass es sich um eine versehentliche Stich-/Risswunde während eines Eingriffs anderenorts qualifiziert durch versehentliche Perforation eines Organs durch ein Endoskopieinstrument, Katheder oder sonstige während des Eingriffs gehandelt hat, abgebildet.

Eine der wichtigsten Grundregeln nach den Kodiervorgaben laute, dass immer so spezifisch wie möglich zu kodieren sei.

So ergebe sich aus der Kommentierung der allgemeinen Kodierrichtlinien, dass für...

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