Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Aufrechnung des Kostenerstattungsanspruchs der Krankenkasse mit einem Vergütungsanspruch des Krankenhauses für stationäre Behandlung des Versicherten. Fallzusammenführung zweier stationärer Behandlungen

 

Orientierungssatz

1. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine stationäre Behandlung sind die §§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5, 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG.

2. Rechtsgrundlage für eine von der Krankenkasse erklärte Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist § 69 Abs. 1 S. 3 SGB 5 i. V. m. §§ 387, 389 BGB. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss uneingeschränkt wirksam und fällig sein.

3. Die erforderliche Aufrechnungslage besteht u. a. dann nicht, wenn der Krankenkasse kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wegen Zusammenführung zweier stationärer Krankenhausbehandlungen nach der Fallpauschalenverordnung zusteht.

4. Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse des Versicherten nur für eine erforderliche wirtschaftliche Krankenhausbehandlung.

5. Eine Fallzusammenführung ist u. a. ausgeschlossen, wenn die erste stationäre Behandlung des Versicherten bei dessen Entlassung bereits abgeschlossen war. Bezieht sich die zweite Behandlung auf einen komplett neuen Behandlungsvorgang, so hat diese die erste nicht lediglich fortgesetzt. Die Entlassung aus der ersten Behandlung hat keine zeitliche Unterbrechung der stationären Krankenhausbehandlung zur Folge.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 4.786,20 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2016 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 4.786,20 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vergütung von Behandlungskosten für den Versicherten E. (K.D.) wegen stationärer Krankenhausbehandlung im Haus der Klägerin im Zeitraum vom 04.04.2016 bis 20.04.2016.

Der 1940 geborene Versicherte K.D. wurde im Krankenhaus der Klägerin im Zeitraum vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 wegen eines bekannten Plasmozytoms und Wirbelkörpermetastasen in TH12/LWK5 stationär behandelt. Ausweislich des Operationsberichts vom 09.03.2016 wurde eine Stabilisierung der Wirbelkörper durchgeführt. Laut Entlassungsbrief Chirurgie vom 23.03.2016 sei dem Versicherten von den behandelnden Ärzten die Stabilisierung an beiden Trochanterregionen bei sehr ausgedünnten Corticalis bei Plasmozytom-Befall mittels PFN zur Frakturprophylaxe empfohlen worden. Diesen Eingriff habe der Versicherte jedoch abgelehnt und für die nächsten Wochen die häusliche Erholung gewünscht; laut seinem Mondkalender wäre der operative Eingriff momentan ungünstig. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen Dr. S. sei die poststationäre Vorstellung zur Therapieplanung vorerst empfohlen worden. Die Behandlung wurde mit Rechnung vom 31.03.2016 auf der Grundlage der DRG E09A mit einem Behandlungskostenerlös in Höhe von 20.399,67 € abgerechnet. Im Rahmen einer weiteren stationären Krankenhausbehandlung vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 erfolgte dann eine Osteosynthese des Femurs. Der Versicherte hatte am 04.04.2016 nach Aufklärung seine Einwilligung zu diesem Eingriff gegeben. Die Behandlung wurde mit Rechnung vom 29.04.2016 auf der Grundlage der DRG E28B mit einem Behandlungskostenerlös in Höhe von 4.786,20 € abgerechnet. Danach beauftragte die Beklagte den MDK mit einer Stellungnahme zu der Fragestellung, ob die getrennte Abrechnung der Behandlungsfälle unter Anwendung der Wiederaufnahmeregelung der Fallpauschalenverordnung (FPV) korrekt sei, insbesondere, ob eine Komplikation zur Fallzusammenführung führe. In seiner Stellungnahme vom 16.09.2016 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass keine Komplikation vorliege, aber eine Fallzusammenführung indiziert sei. Daraufhin forderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.09.2016 den gesamten Behandlungskostenerlös in Höhe von 4.786,20 € zurück. Die Klägerin widersprach dieser Einschätzung. Anschließend rechnete die Beklagte die rückgeforderten Behandlungskosten laut Zahlungsnachweis vom 23.09.2016 mit unbeanstandeten Behandlungskosten anderer Patienten auf, wobei die Rückforderung am 27.09.2016 bei der Klägerin verbucht wurde.

Da zwischen den Beteiligten außergerichtlich kein Konsens erzielt wurde, hat die Klägerin am 26.09.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (Schriftsatz vom 25.09.2017) und zur Begründung insbesondere vorgetragen (Schriftsätze vom 26.09.2017, 28.12.2017, 06.02.2018, 12.03.2018, 20.06.2018, 28.06.2018 und 27.07.2018 sowie Vortrag in der nichtöffentlichen Sitzung vom 27.06.2018), dass hier eine Fallzusammenführung nach der FPV nicht durchzuführen sei. Es liege weder ein Fall des § 2 Abs. 1 und 2 FPV vor, noch eine Komplikation nach Abs. 3 dieser Vorschrift. Das vom BSG entwickelte Konstrukt des "wirtschaftlichen Alte...

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