Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sonderfall der Verfügbarkeit. Student. Semesterferien. Widerlegung der Vermutung der versicherungsfreien Beschäftigung. Nachweis für den gesamten Ausbildungsgang. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein Student muss die Vermutung des § 139 Abs 2 S 1 SGB 3 grundsätzlich für den gesamten Zeitraum seiner Ausbildung widerlegen. Es ist nicht ausreichend, wenn er nachweist, dass er - nur - während der Semesterferien eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben kann, nicht aber während der Vorlesungszeiten.

2. Für ein Verfassungswidrigkeit der Regelung zur Verfügbarkeit von Studenten bestehen keine Anhaltspunkte.

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2017 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Zeit vom 14.03.2017 bis 23.04.2017.

Die Klägerin absolvierte bis 31.08.2016 einen sozialen Freiwilligendienst (FSJ). Sie meldete sich am 05.09.2016 arbeitslos, beantragte die Gewährung von Alg und gab an, dass sie ab 01.10.2016 ein Studium der Humanmedizin an der F.-Universität (F.) in E. aufnehme. Mit Bescheid vom 08.11.2016 bewilligte die Beklagte Alg in Höhe von 6,22 € täglich für 180 Tage. Wegen des Studienbeginns erfolgte die Bewilligung befristet bis 30.09.2016.

Die Klägerin nahm das Studium planmäßig auf und schloss das erste Semester mit der letzten Klausur am 13.03.2017 ab. Am 14.03.2017 meldete sie sich erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg für die Zeit vom 14.03.2017 bis 23.04.2017. Sie führte aus, dass sie die letzte Klausur am 13.03.2017 abgelegt habe und sie sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle. Für das erste Semester seien alle Leistungen erbracht. Vorlesungen und Praktika des zweiten Semesters würden erst am 24.04.2017 beginnen, wobei Semesterbeginn der 01.04.2017 sei. Sie habe das Krankenpflegedienstpraktikum absolviert. Weitere Verpflichtungen aus dem Studium bestünden in dem genannten Zeitraum nicht. Im Übrigen verwies sie auf einen Beschluss des BVerfG vom 18.11.1986 (1 BvL 29/83). Mit Bescheid vom 17.03.2017 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg mit der Begründung ab, die Klägerin könne wegen ihres Studiums nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben und sei daher nicht arbeitslos.

Den Widerspruch vom 06.04.2017, der im Wesentlichen auf die Begründung der Beantragung von Alg verweist und zusätzlich die eidesstattliche Versicherung enthält, dass die Klägerin im genannten Zeitraum eine Vollzeittätigkeit ausüben könne, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2017 als unbegründet zurück. Auf die Begründung im Widerspruchsbescheid wird verwiesen.

Mit der am 19.06.2017 zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin das Ziel der Gewährung von Alg weiter. Nach der bereits zitierten Entscheidung des BVerfG sei generell der Ausschluss von Studierenden vom Bezug von Alg mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar. Das BVerfG habe entschieden, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen müsse, die Studenten zum Nachweis ihrer Verfügbarkeit trotz Vollstudiums verpflichte. Diesen Nachweis habe die Klägerin durch ihre Erklärung vom 14.03.2017 erbracht. Die Klägerin habe zudem eidesstattlich versichert, dass sie in dem genannten Zeitraum der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2017 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14.03.2017 bis 23.04.2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 17.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2017 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg im Zeitraum vom 14.03.2017 bis 23.04.2017.

Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt hat (Nr. 3). Gemäß § 138 Abs. 1 SGB III ist arbeitslos, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit - Nr. 1), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen - Nr. 2), und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit - Nr. 3). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht komme...

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