Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. Beschaffungsweg. längerfristige Behandlung. alternative Krebstherapie. kein Anspruch auf immunbiologische Behandlung nach Tumorentfernung im Gehirn

 

Orientierungssatz

1. In den Jahren 2014/2015 bestand kein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer immunbiologischen Behandlung mit Hyperthermie, Boswellia Carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin nach operativer Entfernung eines Tumors im linken unteren Frontallappen des Gehirns.

2. Voraussetzung für die Erstattung von Kosten gem § 13 Abs 3a SGB 5 ist, dass die Selbstbeschaffung der Leistung zeitlich nach dem Eintritt der Genehmigungsfiktion erfolgt ist. Dies muss auch bei längerfristigen Behandlungen gelten, die sich - wie hier - über einen längeren Zeitraum erstrecken.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.09.2021; Aktenzeichen B 1 KR 95/20 B)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme einer immunbiologischen Behandlung mit Hyperthermie, Boswellia Carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin bei dem Arzt I..

Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2002 trat beim Kläger eine Kopfschmerz- und Schwindelsymptomatik auf. Eine kernspintomographische Abklärung ergab einen Tumor im linken unteren Frontallappen des Gehirns. Eine dem Kläger damals empfohlene Resektion wurde anschließend nicht durchgeführt. Erst nach einem erstmaligen Krampfanfall im Jahre 2014 und erneuter Abklärung erfolgte am 07.11.2014 die Resektion des linken Frontalpols. Die histologische Aufarbeitung des damals gewonnenen Materials ergab die Diagnose eines Glioblastoma multiforme mit oligodendroglialer Komponente Grad IV. Anschließend wurde im Dezember 2014 und im Januar 2015 eine postoperative Radio-Chemotherapie durchgeführt und bis 16.02.2015 fand anschließend eine Rehabilitationsbehandlung statt; eine Temozomolid-Therapie erfolgte bis Mitte April 2015. Am 24.04.2015 begann der Kläger beim Arzt I. eine Hochdosis Vitamin C-Therapie und am 15.06.2015 eine Therapie mit Boswellia Carterii. Bei einer kernspintomographischen Untersuchung am 07.05.2015 wurde über eine diffuse Kontrastmittelanreicherung der Tumoranteile berichtet, bei einer weiteren derartigen Untersuchung am 06.08.2015 von einem Rückgang der signalgesteigerten kontrastmittel-aufnehmenden Tumoranteile und von einem insgesamt erfreulich stabilen Zustand ohne akuten operativen Handlungsbedarf. Es wurde aber aufgrund der großen verbliebenen Resttumoranteile die Fortführung der Therapie mit Temodal nach Normalisierung der Blutwerte empfohlen.

Mit Schreiben vom 12.06.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die streitgegenständliche Immuntherapie bei Herrn I.. Dem Antrag lag ein Schreiben des Herrn I. bei, indem dieser den bisherigen Krankheitsverlauf des Klägers darlegte und seine Therapie vorstellte. Die Therapie mit Hyperthermie, Boswellia carterii, onkolytischen Viren, dendritischen Zellen und einem parenteralen Infusionsschema aus Curcumin, Hypericin, DCA, Aretsunate, Vitamin C und Amgydalin habe kurativen Anspruch. Durch die Therapie könne die Krebsstammzelle vernichtet werden. Alle beantragten Therapiefacetten hätten eine ausreichende wissenschaftliche Dokumentation vorzuweisen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, informierte den Kläger jedoch darüber nicht. In seiner Stellungnahme vom 03.07.2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass weitere schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Der Kläger möge sich an ein Tumorzentrum wenden. Eine wirklich spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf könne durch die - weltweit ausschließlich durch Herrn I. angebotene - Therapiemischung in keinster Weise belegt werden, auch nicht als palliative Option. Dies gelte sowohl für die Einzelbestandteile als auch für die Kombination dieser Verfahren. Aus sozialmedizinischen Gründen sei eine Leistungspflicht der Beklagte daher nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 17.07.2015 lehnte die Beklagte daraufhin eine Übernahme der Kosten ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit Schreiben vom 24.07.2015. Es erfolgte eine erneute Begutachtung durch den MDK. Mit Gutachten vom 06.11.2015 bestätigte der MDK, dass es sich um eine nicht anerkannte Methode, sondern um eine hoch experimentelle Therapie außerhalb der Empfehlung onkologischer Fachkreise, der Arzneimittelrichtlinie und zum Teil des Arzneimittelgesetzes handle. Wissenschaftliche Grundlagen der Methoden seien auch im Widerspruch nicht dokumentiert und ein Behandlungsversuch nicht ausreichend belegt. Unter ambulanter allgemeinärztlicher Behandlung sei eine ausreiche...

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