Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Absetzung von Beiträgen für eine private Unfallversicherung. Angemessenheit der Versicherung. Absetzung von mit der Einkommenserzielung verbundenen notwendigen Aufwendungen. Aufwendungen für Arbeitsmittel

 

Orientierungssatz

1. Ein vorausplanender Bürger, der kein überzogenes Sicherheitsbedürfnis hat, würde auf den Abschluss einer privaten Unfallversicherung verzichten, wenn er damit rechnen muss, dass bei einem versicherten Unfallereignis Leistungen der Versicherung als einzusetzendes Vermögen nach § 90 Abs 1 SGB 12 behandelt werden.

2. Wenn vom Leistungsberechtigten selbst keinerlei Aufwendungen für Arbeitsmittel vorgetragen werden können, ist der Ansatz der Pauschale des § 3 Abs 5 BSHG§76DV nicht gerechtfertigt.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob vom Einkommen der Klägerin Aufwendungen für eine private Unfallversicherung in Höhe von monatlich 16,85 € und eine Arbeitsmittelpauschale von monatlich 5,20 € vom Einkommen abzusetzen sind.

Die 1981 geborene Klägerin, inzwischen 35 Jahre alt, leidet unter einer schwerwiegenden Behinderung; die Klägerin hat aufgrund ihrer Gesundheitsstörungen auch motorische Defizite. Nach Behindertenrecht sind ein Grad der Behinderung von 100 und die Voraussetzungen für die Merkzeichen "aG", "B" und "H" festgestellt. Die Klägerin wohnt und arbeitet seit 01.09.2014 in einer Einrichtung der B. in A-Stadt. Sie erhält von dem Beklagten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Klägerin arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen in A-Stadt ( B.-Werkstatt). Mit Schreiben vom 01.12.2014 bat der Beklagte die B.-Werkstatt, das anrechenbare Werkstatteinkommen gemäß § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII an den Beklagten zu überweisen.

Mit Bescheid vom 03.08.2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe, Leistungen der Grundsicherung und Hilfen zum Lebensunterhalt ab 01.09.2016 bis vorerst 31.08.2020 in der Einrichtung B., Wohn- und Pflegeheim, A-Straße, A-Stadt. Die Kostenzusicherung umfasse auch den Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von derzeit monatlich 109,08 € ab 01.09.2016. Als Kostenbeitrag seien ab 01.09.2016 das anrechenbare Werkstatteinkommen, die Unterhaltsleistungen von nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unterhaltsrechtlichen Personen, eventuelle Wohngeldleistungen, die Leistungen der vollstationären Pflege nach dem Pflegeversicherungsgesetz und das die Freigrenze übersteigende Vermögen (Vermögensfreigrenze derzeit 2.600 €) festzusetzen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Betreuer der Klägerin mit Schreiben vom 19.08.2016 (Blatt 721 der Beklagtenakten - ohne Eingangsstempel) partiellen Widerspruch. Bei der Berechnung des anzurechnenden Werkstatteinkommens (hier: 106,00 €) seien neben einem Achtel der Regelbedarfsstufe 1 sowie dem 1/4 des übersteigende Bedarfs bei der Klägerin noch insgesamt weitere 28,50 € für Sozialbeiträge für die Pflegekasse von Kinderlosen in Höhe von 1,45 €, für den Werbungskosten-Pauschalbetrag von 5,20 €, die gesetzlichen Mindestbeiträge für die Riester-Altersversicherung von 5,00 € und die Beiträge zur privaten Unfallversicherung, die für alle Aufenthalte außerhalb einer Einrichtung wie zum Beispiel bei Heimbeurlaubungen, Freizeiten, Ausflügen mit anderen Behinderteneinrichtungen etc. abgeschlossen worden sei, in Höhe von 16,85 € abzuziehen. Damit entfalle für die Klägerin der geforderte monatliche Anteil aus dem anrechenbaren Werkstatt Einkommen vollständig.

Mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 27.04.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII nur als Sachleistung in Form der Übernahme der Wohnkosten bewilligt. Geldleistungen durch den Beklagten erfolgten nicht mehr.

Grundsätzlich stelle das Werkstatteinkommen einzusetzendes Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII dar. Von dem Einkommen seien die in § 82 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII bzw. § 88 Abs. 2 SGB XII genannten Beträge abzusetzen. Diese Regelung sei abschließend. Weitere Absetzungsbeträge kämen nicht in Betracht. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII seien Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sein, abzusetzen. Bei der Angemessenheit sei auszugehen von den objektiven Verhältnissen, also von den bei einer Durchschnittsfamilie ähnlicher Art üblichen und notwendigen Vorkehrungen gegen Risiken des täglichen Lebens und von der subjektiven Verhältnissen, insbesondere von der Lebenssituation der Klägerin und der Art des Bedarfs. Dass bei einem Einzug in ein Behindertenwohnheim eine andere Beurteilung erfolge, wie zu Zeiten, in denen die Klägerin zuhause gelebt habe, sei daher grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte dürfe zurecht davon au...

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