Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung. Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Selbständiger. nachträgliche Änderung der Verhältnisse durch den Einkommensteuerbescheid. Aufhebung der Rentenauszahlung nach § 48 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
1. Einkommen eines Selbständigen ist erst "erzielt", wenn der Einkommensteuerbescheid für das betreffende Betriebsjahr vorliegt, denn erst zu diesem Zeitpunkt steht der Gewinn unter Nutzung aller steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten fest.
2. Ist der Hinzuverdienst im Rahmen einer Erwerbsminderungsrente zunächst anhand einer betriebswirtschaftlichen Auswertung geschätzt worden, tritt durch den Einkommensteuerbescheid eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse ein. Die Aufhebung der Rentenauszahlung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen richtet sich folglich nach § 48 SGB 10, nicht nach § 45 SGB 10.
3. Wird bei einem Selbständigen der zunächst erteilte Rentenauszahlungsbescheid nach Vorlage eines Einkommensteuerbescheides nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen für die Vergangenheit aufgehoben, ist durch die Rentenversicherung eine Günstigkeitsberechnung durchzuführen. Da eine Aufhebung nur erfolgen darf, soweit Hinzuverdienst erzielt wurde, ist die den Versicherten im Wege einer Gesamtbetrachtung am günstigsten stellende Höhe der Erwerbsminderungsrente (Rente in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels) zugrunde zu legen und der in Bezug auf diese Rentenhöhe zu viel erzielte Hinzuverdienst vom danach noch bestehenden Rentenauszahlungsanspruch abzuziehen.
4. Selbständige (mit nicht im Einzelnen vorhersehbaren Einkommensverhältnissen) dürfen hinsichtlich der Berechnung der Rentenhöhe nicht schlechter gestellt werden als angestellt erwerbstätige Empfänger einer Erwerbsminderungsrente (mit sofort feststehenden Einkünften). Letztere können im Vorhinein ihren Hinzuverdienst auf die Hinzuverdienstgrenzen einstellen und die Rentenhöhe lenken. Selbständige müssen im Nachhinein durch eine Günstigkeitsberechnung insofern gleichgestellt werden, als die Rentenhöhe dem erzielten Verdienst in der für ihn am günstigsten Weise angepasst wird. Eine Schlechterstellung ist nicht gerechtfertigt, zumal der Durchschnittsgewinn eines gesamten Jahres nicht vorab planbar ist.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 06.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2011 wird hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages teilweise aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Rückforderungsbetrag neu zu berechnen, indem ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln zugrunde gelegt wird und bei dem entsprechenden Auszahlungsbetrag der laut Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 21.05.2010 erzielte Hinzuverdienst abgezogen wird, der die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überschreitet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."
4. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Rentenzahlungen aufgrund Anrechnung von Hinzuverdienst im Jahre 2008.
Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist von Beruf Zahntechnikermeister und seit 1982 selbständig tätig. Er beantragte im Jahre 2007 die Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, die ihm seit dem 01.07.2007 grundsätzlich zuerkannt wurde. In dem Bescheid vom 06.06.2008 wurde der Kläger auf die Anrechnung des Arbeitseinkommens aus selbständiger Tätigkeit hingewiesen. Die Hinzuverdienstgrenzen wurden im Einzelnen dargestellt. Wegen erheblicher Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit als Betreiber eines Dentallabors ruhte die Rentenauszahlung seit Rentenbeginn.
Nachdem der Kläger für Oktober 2008 einen Verlust nachwies, zahlte die Beklagte die Erwerbsminderungsrente für diesen Monat voll aus. Nachdem der Kläger im Februar 2009 eine betriebswirtschaftliche Auswertung für das gesamte Jahr 2008 einreichte, wonach ein Unternehmensergebnis in Höhe von 8.529 € vorlag, zahlte die Beklagte auch für Dezember 2008 die volle Rente aus. In dem entsprechenden Bescheid vom 10.02.2009 stellte sie erneut die Hinzuverdienstgrenzen dar.
Der Kläger legte Widerspruch ein und begehrte die Auszahlung der Rente für das gesamte Jahr 2008 auf der Grundlage der betriebswirtschaftlichen Auswertung. Nach Rückfrage erklärte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, er begehre eine Auszahlung auf Grundlage des Gesamtjahresergebnisses, nicht eine monatliche Prüfung durch Vorlage monatlicher Auswertungen. Er reichte eine neue betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2008 zur Akte, wonach das Unternehmensergebnis 4.164 € betrug.
Mit Bescheid vom 17.04.2009 wurde dem Kläger daraufhin für das gesamte Jahr 2008 unter Berücksichtigung des durch betriebswirtschaftliche Auswertung nachgewiesenen Hinzuverdienstes (4.164 € : 12 Monate = 347 Euro Monatsverdienst) Rente in voller Höhe ausgezahlt. Die Beklagte behielt sich ausdrücklich vor, den Bescheid mit Wirkung für die Verga...