Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Berufsgrundbildungsjahr (BGJ). berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
Ein Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) ist bei der Einordnung als rentenrechtliche Zeit nicht als allgemeinbildender Schulausbildung, sondern als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zu qualifizieren, wenn es im Rahmen einer Berufsausbildung zwingend vorgeschrieben war und auf die Dauer der Ausbildungszeit angerechnet wurde.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 04.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2010 wird geändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Zeit des Berufsgrundbildungsjahres vom 01.08.1990 bis zum 03.07.1991 als berufsvorbreitende Bildungsmaßnahme anzuerkennen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten. Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Berufsgrundbildungsjahres als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme statt einer Einordnung als Schulausbildung.
Der 1972 geborene Kläger strebte nach der Erlangung des erweiterten Realschulabschlusses auf einer allgemeinbildenden Schule eine Ausbildung zum Gärtner an.
Damals war im Bundesland Niedersachsen der Abschluss des Berufsgrundbildungsjahres im Rahmen einer Ausbildung zum Gärtner zwingend vorgeschrieben und wurde als erstes Lehrjahr auf die dreijährige Ausbildungszeit angerechnet.
Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 01.08.1990 bis zum 03.07.1991 das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) Agrarwirtschaft an den Berufsbildenden Schulen des Landkreises F.in G..
Unterrichtet wurden zum einen als berufsfeldübergreifender Lernbereich die Fächer Deutsch, Gemeinschaftskunde, Sport und Religion und zum Anderen im Rahmen des berufsfeldbezogenen Lernbereichs einerseits der fachtheoretische Bereich mit den Fächern Betriebslehre, Mathematik, Bodenkunde (Pflanzenernährung), Biologie (Pflanze, Tier) sowie Agrartechnik und andererseits der fachpraktische Bereich mit den Unterrichtsfächern Produktionstechnische Grundtätigkeiten, Technische Grundtätigkeiten (Holz, Metall, Gartenbau, Floristik) sowie Zeichnen und Gestalten.
Im Anschluss absolvierte der Kläger vom 1.8.1991-31.7.1993 die betriebliche Ausbildung als Gärtner. Das BGJ wurde auf die dreijährige Ausbildungszeit angerechnet, so dass die betriebliche Ausbildung zwei Jahre dauerte. Die Gesellenprüfung bestand der Kläger am 17.06.1993.
Mit Bescheid vom 04.03.2010 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also Zeiten bis zum 31.12.2003, verbindlich fest. Den Zeitraum des BGJ vom 01.08.1990 bis zum 03.07.1991 wertete sie als Zeit der Schulausbildung.
Der Kläger legte am 06.04.2010 Widerspruch ein. Das BGJ sei eine Ausbildung mit beruflichem Bezug. Zumindest in Niedersachsen sei es damals nicht möglich gewesen, dieses Jahr im Rahmen einer Berufsausbildung zu umgehen. Es habe zu der dreijährigen Ausbildung gehört und sei daher als Ausbildungszeit mit beruflichem Bezug zu werten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Berufsgrundbildungsjahr sei zwar gem. § 29 Berufsbildungsgesetz nach § 27 a der Handwerksordnung auf die Berufsausbildung in dem Bereich Agrarwirtschaft angerechnet worden. Es sei aber eine schulische Form der Berufsvorbereitung. Ziel sei es, Grundqualifikationen mehrerer verwandter Berufe zu vermitteln. Zugleich könne der Hauptschulabschluss erworben werden. Der durch vollzeitschulischen Unterricht erworbene Bildungsstand spreche dafür, die Teilnehmer wie Schüler einer allgemeinen weiterführenden Schule zu behandeln. Der berufsfeldbezogene Unterricht sei nicht auf einen bestimmten Beruf zugeschnitten, sondern erfasse eine Vielzahl von Berufen aus dem gewählten Berufsfeld Agrarwirtschaft. Daher sei das BGJ als Zeit der Schulausbildung gem. § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, nicht als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme nach § 58 Abs. 1 Satz 2 SGB VI zu qualifizieren.
Mit seiner am 17.06.2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Das Berufsgrundbildungsjahr sei als Ausbildungszeit mit beruflichem Bezug anzuerkennen. Denn es überwiege der berufliche Charakter des Unterrichtes. Es seien die praktischen Grundlagen für eine spätere Tätigkeit im Bereich Agrarwirtschaft gelegt worden. Die Ausbildungsinhalte seien zwar breit aufgestellt gewesen, jedoch seien die vermittelten Fertigkeiten im Bereich der Agrarwirtschaft erforderlich gewesen. Er habe zudem einen Tag pro Woche ein Betriebspraktikum durchgeführt. Er habe das BGJ nicht absolviert, um einen Hauptschulabschluss zu erlangen, denn er habe bereits den erweiterten Realschulabschluss gehabt. Er habe lieber eine dreijährige betriebliche Ausbildung machen wollen, dies sei jedoch nicht möglich gewesen.
In einem Parallelverfahren vor dem SG Aurich seien die Zeiten entsprechend anerkannt worden. Ein Urteil existiere nicht, da Erledigungse...