Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 SGB 2. Produkttheorie. Nebenkosten
Leitsatz (amtlich)
Sofern ein jährlich aktualisierter und auf einer ausreichenden Datenbasis beruhender Mietspiegel iS des § 558c BGB vorliegt, ist dieser der Anwendung der Tabelle zu § 8 WoGG 2 zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB 2 vorzuziehen.
Orientierungssatz
1. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist aus dem Produkt des Quadratmeterpreises und der abstrakt ermittelten angemessenen Wohnungsgröße zu ermitteln (vgl LSG Essen vom 24.8.2005 - L 19 B 28/05 AS ER = FEVS 57, 320).
2. Als angemessene Unterkunftskosten sind grundsätzlich die nach dem Mietvertrag geschuldeten Betriebskosten zu berücksichtigen, soweit diese nicht ausnahmsweise aus besonderen Gründen unangemessen sind oder nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen (vgl SG Aurich vom 12.10.2005 - S 15 AS 159/05 = info also 2006, 27).
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 6. Juli 2005 wird unter Maßgabe der Ziffer 2 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 60,- € zu gewähren.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Leistungen für Unterkunft nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu gewähren hat.
Der Kläger bewohnt eine 1952 bezugsfertig gewordene Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 50 m². Die Höhe der Kaltmiete beträgt monatlich 260,31 €, die Nebenkosten belaufen sich auf monatlich 48,- €. Im Rahmen der Heizkosten erfolgt eine monatliche Abschlagzahlung an die Stadtwerke E. AG in Höhe von 31,- € für Gas (Bescheinigung vom 23. August 2004).
Der Kläger steht seit dem 1. Januar 2005 im Leistungsbezug des SGB II. Mit Bescheid vom 8. Juni 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 in Höhe von 617,- € monatlich (= 345,- € Regelleistung zuzüglich 247,50 € Leistungen für Unterkunft und 31,- € Leistungen für Heizung abzüglich 6,50 € Warmwasseranteil). Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 6. Juli 2005 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 25. Juli 2005 Klage erhoben. Er trägt vor, dass die von der Beklagten zur Ermittlung der angemessen Kosten der Unterkunft herangezogene Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) nicht anwendbar sei und seine Kosten für die Unterkunft angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II seien. Danach habe er Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 60,81 €.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 6. Juli 2005 unter Maßgabe der Ziffer 2 abzuändern
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mietkosten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest und trägt vor, dass sich die angemessenen Kosten der Unterkunft inklusive Betriebskosten unter Berücksichtigung der Tabelle zu § 8 WoGG auf 247,50 € beliefen. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb von der bisherigen Anwendung der Wohngeldtabelle abgewichen werden müsse.
Die Kammer hat die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 22. Februar 2006 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die weiteren Gerichtsakten zu den Verfahren mit den Aktenzeichen S F. ER (Beschluss der Kammer vom 14. November 2005 für die Zeit vom 20. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005) und S G. ER (Beschluss der Kammer vom 22. Februar 2006 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006) sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, denn die bisherigen Beschlüsse der Kammer in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatten bereits die hier zu entscheidende Problematik der Bestimmung der angemessen Kosten der Unterkunft zum Gegenstand. Der Sachverhalt ist geklärt und die Beteiligten sind mit gerichtlicher Verfügung vom 22. Februar 2006 angehört worden.
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 6. Juli 2005 ist teilweise rechtswidr...