Entscheidungsstichwort (Thema)
Gründungszuschuss. Anspruchsvoraussetzung. 150 Tage Restanspruch auf Arbeitslosengeld. konkreter Zahlungsanspruch. keine Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in der Corona-Pandemie nach § 421d SGB 3. teleologische Extension. Analogie. keine planwidrige Regelungslücke. keine vergleichbare Interessenlage. Zweck des Gründungszuschusses. Ausnahmecharakter des § 421d SGB 3
Leitsatz (amtlich)
1. § 93 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB III, der für die Gewährung eines Gründungszuschusses bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch von 150 Tagen Arbeitslosengeld voraussetzt, stellt auf einen tatsächlich noch bestehenden materiell-rechtlichen Anspruch, nicht auf einen fiktiv ggf noch bestehenden Anspruch ab. Die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs müssen gegeben sein (LSG Hamburg vom 10.7.2017 - L 2 AL 9/17, juris: Rdnr 29). Die Möglichkeit der Anspruchsverlängerung in der Corona-Krise nach § 421d SGB III (in der Fassung vom 20.5.2020) reicht dafür nicht aus.
2. § 421d SGB III (in der Fassung vom 20.5.2020) setzt für die Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld voraus, dass sich der Anspruch in der Zeit vom 1.5.2020 bis zum 31.12.2020 auf einen Tag gemindert hat. Tritt vor diesen Zeitpunkt eine Unterbrechung des Leistungsbezugs ein, erfolgt eine Verlängerung des Anspruchs nicht (BT-Drucks 19/18866, S 29).
3. Ist es deshalb zu der Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht gekommen, so ergibt sich eine Möglichkeit der Gewährung von Gründungszuschuss weder aus einer teleologischen Extension des/einer Analogie zu § 93 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB III oder § 421d SGB III (in der Fassung vom 20.5.2020). Hinsichtlich § 93 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB III fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, hinsichtlich § 421d SGB III (in der Fassung vom 20.5.2020) an einer vergleichbaren Interessenslage.
4. § 421d SGB III (in der Fassung vom 20.5.2020) verfolgt das Ziel, die soziale Absicherung für eine absehbar besonders betroffene Gruppe von Arbeitslosengeldbeziehenden für eine bestimmte Zeit aufrecht zu erhalten (dazu: BT-Drucks 19/18966, S 29). Dieser Zweck wird durch den Gründungszuschuss, der eine Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktförderung darstellt, nicht in gleicher Form erreicht. Von den Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung hat der Gesetzgeber zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie den Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausgewählt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Gewährung eines Gründerzuschusses nach § 93 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Zeit ab dem 01.08.2020.
Der 1989 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von August 2009 bis Januar 2013 eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker im Bereich Nutzfahrzeugtechnik. In der Zeit von August 2013 bis November 2016 durchlief er Weiterbildungsmaßnahmen zum Kraftfahrzeugtechnikermeisters. Seine Meisterurkunde datiert auf den 23.11.2016. In der Zeit von Januar 2013 bis August 2015 war der Kläger bei der Firma A GmbH in B als Kfz-Mechatroniker angestellt. Anschließend war er in der Firma C in B als Werkstattleiter tätig. Von Mai 2016 bis Juli 2017 war er Betriebsleiter und Inhaber der D GbR in B. Danach war er Betriebsleiter und Inhaber der E Kfz-Meisterbetrieb GbR in F. Daran schloss sich eine Tätigkeit als Betriebsleiter bei der A GmbH in G an. Von Januar 2020 bis Mai 2020 war er Betriebsleiter der H in I.
Am 29.05.2020 wandte sich der Kläger per E-Mail an die Beklagte und fragte, welche Unterlagen für den Antrag eines Gründerzuschusses nötig seien (Bl. 37 der GA). Er habe eine Gründungsberatung bei der Handwerkskammer J absolviert. Daraufhin verwies die Beklagte am 03.06.2020 auf eine Informationsbroschüre „Hinweise und Hilfen zur Existenzgründung“, die dem Kläger am 12.05.2020 zugesandt worden sei.
Am 03.06.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten Gründerzuschuss und legte einen Business-Plan vor, der gemeinsam mit Handwerkskammer J erarbeitet worden sei. Nach dem vorgelegten Businessplan sollte die Tätigkeit am 01.08.2020 aufgenommen werden (Seite 3 des Businessplans). Der Liquiditätsplan für das erste Jahr begann mit August 2020 (Seite 17 des Businessplans). Im Antrag führte er zur Begründung aus, dass ihm der Gründungszuschuss dabei helfe, seinen Lebensunterhalt in der Anfangsphase zu sichern. Dadurch könne er sich voll und ganz auf die Unternehmensentwicklung konzentrieren, ohne Existenzängste zu haben. Wie dem Businessplan entnommen werden könne, bedürfe die Unternehmung einer gewissen Anlaufzeit, bis er hiermit seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Diese Zeit werde dazu genutzt, einen festen Kundenstamm aufzubauen.
Am 08.06.2020 wurde der Kläger in der Handwerksrolle eingetragen. Am 02.07.2020 meldete der Kläger bei der Stadt J ein Gewerbe für die Wartung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und dem Handel mit Ersatzteilen an.
Mit Bescheid vom 22.07.2020 lehnte d...