Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Abweg. entgegengesetzte Fahrtrichtung. hohes Verkehrsaufkommen. erhebliche Verlängerung gegenüber dem üblichen Weg. erheblicher Umweg
Orientierungssatz
1. Bewegen sich Versicherte nicht auf direktem Weg in Richtung ihrer Arbeitsstätte oder Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befinden sie sich auf einem Abweg. Wird ein solcher bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich die Versicherten wieder auf dem direkten Weg befinden und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz.
2. Wird der unmittelbare Weg verlassen, um eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben, so steht auch der Abweg unter Versicherungsschutz.
3. Eine dem Versicherten uneingeschränkt eingeräumte freie Wahl des Weges mit einer erheblichen Verlängerung des Weges läuft nicht nur der ausdrücklich in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 normierten Voraussetzung des "unmittelbaren" Weges zuwider, sondern erhöht auch das Risiko eines Wegeunfalls unangemessen, was als ein beachtliches Kriterium bei der Auslegung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 ist. Daher kann bereits ein um ein Drittel verlängerter Weg infolge verkehrsbedingter Zurücklegung eines Umwegs einen bedeutenden versicherungsschädlichen Umweg darstellen.
4. Je länger und zeitaufwändiger der gewählte alternative Weg im Verhältnis zu einem kürzeren Weg ist, umso höhere Anforderungen sind an den Nachweis zu stellen, dass der notwendige Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg nach oder vom Ort der Tätigkeit noch besteht (Vgl BSG vom 11.9.2011 - B 2 U 34/00 R = SozR 3-2700 § 8 Nr 9).
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Verkehrsunfall, den der Kläger am 20.04.2017 erlitten hat, als Wegeunfall anzuerkennen ist.
Der am 11.06.2000 geborene Kläger war als Auszubildender zum Metallbauer bei der Firma B. in A-Stadt (C. straße 1) beschäftigt. Wohnhaft ist der Kläger unter der im Rubrum benannten Anschrift in A-Stadt (D. -Straße 11 a).
Am 20.04.2017 verunfallte der Kläger gegen 16:15 Uhr, als er mit seinem Motorrad gegen ein abbiegendes Auto, das ihm die Vorfahrt nahm, prallte. Nach dem Bericht des E. -Hospitals F. vom 18.05.2017 erlitt der Kläger eine offene Femurschaftfraktur links, eine Weichteilverletzung im Bereich des linken Fußes und des rechten Sprunggelenkes, eine Sprunggelenksdistorsion rechts sowie eine Prellung des rechten Handgelenkes.
In dem Unfallfragebogen gab der Kläger am 25.05.2017 an, er sei mit seinem Kleinkraftrad auf dem vorfahrtsberechtigten G.-Damm gefahren, als ihm ein von rechts kommender PKW die Vorfahrt genommen habe. Er habe die Arbeitsstätte um 16:10 Uhr verlassen und habe nach Hause fahren wollen. Normalerweise fahre er von der C.-Straße, über die H.-Straße, den I.-Damm sowie den J.-Weg und biege dann in die K.-Straße ein, von der aus er dann in die D. -Straße fahre (Wegstrecke ab Kreuzung K.-Straße: 550 Meter - ca. 2 Minuten Fahrtzeit; Wegstrecke bis zur D.-Straße: ca. 250 Meter). Am Unfalltag sei er nicht die K.-Straße abgebogen, sondern weiter über die L.-Straße, den M.-Damm und den G.-Damm gefahren, bis es in Höhe des N.-Weges zu dem Verkehrsunfall kam (1,4 km - 3 Minuten). Grund hierfür sei ein LKW-Unfall auf der A30 gewesen, infolge dessen die Autobahn gesperrt worden sei, so dass auf allen Hauptstraßen in A-Stadt Stau gewesen sei.
Der Vater des Klägers teilte auf telefonische Nachfrage der Beklagten mit, dass der Kläger wohl versucht habe, den Stau irgendwie zu umgehen, auch wenn dies nicht der direkte Weg gewesen sei. Er habe aber auf jeden Fall nach Hause gewollt (Gesprächsnotiz vom 23.06.2017).
Oberkommissar O. von der Polizeistation P. bestätigte in dem Telefongespräch vom 03.07.2017 den Unfall auf der A30 am 20.04.2017, durch den es zu Verkehrsbehinderungen im Raum A-Stadt gekommen sei. Er teilte aber mit, dass es sich bei der K.-Straße um eine Tempo-30-Zone handele. Nach seinem subjektiven Gefühl dürfte der Verkehr über andere Straßen abgeflossen sein.
Mit Bescheid vom 18.07.2017 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Zwar habe der Unfall auf der A30 bestätigt werden können. Jedoch sei der von dem Kläger gewählte Weg nach Hause verkehrsbedingt nicht nachzuvollziehen. Die gewöhnliche Fahrtstrecke führe durch eine Tempo-30-Zone. Die von den Staus betroffenen Hauptstraßen hätten nicht befahren werden müssen. Es sei nicht erklärbar, warum der Kläger von dem J.-Weg nicht in die K.-Straße abgebogen sei. Damit würden Zweifel verbleiben, dass sich der Kläger tatsächlich auf dem Weg von der Arbeitsstätte nach Hause bef...