Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz bei Leistungen für Einrichtungen. Berechnung des Kostenbeitrags bei stationärer Unterbringung. Empfehlung des Deutschen Vereins. Ermessensausübung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Berechnung eines Kostenbeitrages nach § 92a SGB 12 auf Grundlage der Empfehlungen des Deutschen Vereins für den Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe.
2. Die Erhebung eines Kostenbeitrages wegen häuslicher Ersparnis nach § 92a Abs 1 SGB 12 ist rechtswidrig, wenn das Ermessen nicht ausgeübt wird.
3. Die Rechtswidrigkeit der Erhebung eines Kostenbeitrages nach § 92a Abs 1 SGB 12 hindert nicht die Erhebung eines weiteren Kostenbeitrages nach Abs 2.
Tenor
1) Der Bescheid vom 29.10.08 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.08, des Änderungsbescheides vom 24.09.09 und des Widerspruchsbescheides vom 12.03.10 wird insoweit aufgehoben, als darin ein Kostenbeitrag für den Zeitraum ab Oktober 2008 von mehr als 195,03 €, für den Zeitraum ab Februar 2009 von mehr als 182,09 € und für den Zeitraum ab Oktober 2009 von mehr als 192,89 € festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Die Beklagte hat den Klägern die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen einen Kostenbeitrag aufgrund der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Der im Jahre 1940 geborene Kläger zu 1. und die im Jahre 1941 geborene Klägerin zu 2. sind miteinander verheiratet. Die Klägerin leidet an einer schizoaffektiven Störung, die eine stationäre Unterbringung erforderlich macht. Sie wurde am 27.04.2004 in ein Wohnheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in I. aufgenommen. Die Beklagte erteilte am 13.08.2004 ein Kostenanerkenntnis für die stationäre Unterbringung, ein Kostenbeitrag wurde zunächst nicht erhoben.
Die Klägerin bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich im Jahr 2008 auf 76,89 € belief und dann am 1.7.2009 auf 78,79 € erhöht wurde. Der Kläger erhält eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. 958,27 € (ab 1.7.2009 981,91 €) und eine Betriebsrente i. H. v. 108,91 € (ab 1.1.2009 112,96 €). Er bewohnt eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 62 qm, für die eine monatliche Kaltmiete i. H. v. 279,12 €, ein Abschlag für Nebenkosten i. H. v. 27,- € und für Heizkosten i. H. v. 50,- € anfällt. Die Kaltmiete wurde zum 1.2.2009 auf 305,- € erhöht. Die Kosten für ein Monatsticket der Stadtwerke I. zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel (sog. Umwelt-Abo) belaufen sich auf 38,50 €.
Die Beklagte erneuerte am 29.10.2008 ihr Kostenanerkenntnis und gewährte der Klägerin mit gesondertem Bescheid Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Mit weiterem Bescheid vom gleichem Tage setzte sie den Kostenbeitrag ab dem 1.10.2008 auf 344,32 € pro Monat fest, denn die Eheleute seien gem. § 92a SGB XII verpflichtet, sich an den Kosten der stationären Unterbringung zu beteiligen. Das gemeinsame Einkommen der Eheleute betrage 1.144,07 €. Abzüglich der Aufwendungen für die Haftpflicht- und Hausratversicherung ergebe sich ein Betrag von 1.129,46 €, der um 153,16 € über dem notwendigen Lebensunterhalt nach dem SGB XII liege. Dies entspreche 24% der Regelsätze. Der Kostenbeitrag sei daher in der Weise zu bestimmen, dass von dem gemeinsamen Einkommen der notwendige Lebensunterhalt des Ehemannes sowie ein weiterer Betrag i. H. v. 24% des für ihn maßgeblichen Regelsatzes abzuziehen seien. Dies führe zu einem Kostenbeitrag i. H. v. 344,32 €. Abzüglich der bereits übergeleiteten Rente der Klägerin ergebe sich ein Zahlbetrag i. H. v. 265,- €.
Die Kläger legten gegen den Bescheid mit Schreiben vom 28.11.2008 Widerspruch ein.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 20.5.2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kläger gem. § 92a SGB XII verpflichtet seien, sich an den Kosten der stationären Unterbringung zu beteiligen. Die Berechnung des Kostenbeitrages sei nicht zu beanstanden.
Die Kläger haben am 22.6.2009 Klage erhoben. Diese begründen sie damit, dass ein Kostenbeitrag nicht geschuldet werde. Die Kläger hätten zahlreiche weitere Ausgaben z.B. für ihren Pkw und verschiedene Versicherungen, so dass ein Einkommenseinsatz von ihnen nicht verlangt werden könne.
Während des Klageverfahrens setzte die Beklagte den Kostenbeitrag mit Änderungsbescheid vom 24.09.09 ab dem 1.10.2009 aufgrund der gestiegenen Renteneinkünfte auf 363,99 € fest. Auf den Widerspruch der Kläger berücksichtigte sie zusätzlich die Mieterhöhung zum 1.2.2009 und reduzierte den Kostenbeitrag durch den Widerspruchsbescheid vom 12.3.2010 auf 338,11 €. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 29.10.08 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.5.08, des Änderungsbescheides vom 24.09.09 und des Widerspruchsbescheides vom 12.03.10 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt ...