Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines Ordnungsgeldbeschlusses bei nachträglicher Entschuldigung des nicht erschienen Zeugen

 

Orientierungssatz

1. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen im Termin nicht erschienenen Zeugen setzt voraus, dass der Zeuge unter Hinweis auf die Folgen seines Ausbleibens ordnungsgemäß geladen und ohne rechtzeitige genügende Entschuldigung zum Termin nicht erschienen ist und dass er auch bei nachträglicher Entschuldigung nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft.

2. Hat der Zeuge glaubhaft vorgetragen, unmittelbar nach der Ladungszustellung und zum Gerichtstermin im Urlaub gewesen zu sein, so gilt er für sein Nichterscheinen nachträglich als genügend entschuldigt.

3. Hat das Sozialgericht gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld verhängt und ist dieses im Beschwerdeverfahren aufgehoben worden, so sind dem Zeugen die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten in Anwendung der in §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO enthaltenen Rechtsgedanken aus der Staatskasse zu erstatten.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Zeugin Dr. S wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 06. August 2009 aufgehoben.

Die Staatskasse hat der Zeugin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Zeugin Dr. S gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200,- EUR bzw. ersatzweise die Verhängung von 4 Tagen Ordnungshaft.

In der Hauptsache, einem seit Dezember 2007 anhängigen Klageverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, ist die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung streitig. Nachdem die Beschwerdeführerin erstmals mit am 29. Oktober 2008 ausgeführter richterlicher Verfügung aufgefordert worden war, einen Befundbericht über den Kläger abzugeben, wurde sie hieran unter dem 4. Februar 2009 und erneut am 23. April 2009 unter Fristsetzung bis zum 14. Mai 2009 erinnert. Schließlich wurde die Beschwerdeführerin zur Vernehmung als Zeugin bzw. zur Abgabe des Befundberichts zu einem Erörterungstermin am 6. August 2009 geladen. Die Ladung, die den Hinweis enthielt, dass der Termin aufgehoben werde, sobald der angeforderte Befundbericht bei Gericht eingehe, wurde per Postzustellungsurkunde am 4. Juli 2009 durch Einlegung in den zur Praxis der Zeugin gehörenden Briefkasten zugestellt. Zum Termin am 6. August 2009 erschien die Zeugin ohne Entschuldigung nicht.

Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Sozialgericht gegen die Zeugin wegen unentschuldigten Nichterscheinens und fehlender Übersendung des Befundberichts ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft von 4 Tagen festgesetzt. Zur Begründung heißt es, die Zeugin habe dem Gericht erhebliche - nunmehr nutzlose - organisatorische Arbeit und Kosten verursacht. Außerdem verzögere ihr Verhalten das gesamte Verfahren. Das Ordnungsgeld von 200,- EUR sei daher als angemessen anzusehen, um die Zeugin auf ihre Pflichten nachdrücklich aufmerksam zu machen.

Gegen den ihr am 12. August 2009 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 14. August 2009 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, ihr Fernbleiben sei keinesfalls Ausdruck der Missachtung der Würde des Gerichts, sondern als Folge einer Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände zu verstehen. Die Ladung sei unmittelbar vor dem Beginn ihres Urlaubs eingegangen und offenbar von einer ihrer Angestellten nicht an sie weitergeleitet worden. Sie selbst sei vom 10. Juli bis zum 10. August 2009 im Urlaub und folglich auch zum Termin nicht ortsanwesend gewesen. Bis zum Eintreffen des Ordnungsgeldbeschlusses sei ihr die Ladung nicht bekannt gewesen. Den angeforderten Befundbericht fügte die Beschwerdeführerin ihrem Schreiben bei.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beschwerdegegner hält die nachträgliche Entschuldigung der Beschwerdeführerin für ausreichend. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass mit den Einwendungen gegen den Ordnungsgeldbeschluss der ausstehende Befundbericht dem Gericht übersandt worden sei, sodass eine weitere Ladung entbehrlich sei, beantragt er, den Einwendungen der Beschwerdeführerin stattzugeben.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Satz und § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig; sie ist auch begründet, denn das erstinstanzliche Gericht hätte den Ordnungsgeldbeschluss nachträglich aufheben müssen.

Bleibt ein Zeuge, der nach § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG zum Termin geladen worden, im Termin aus, so wird gegen ihn gemäß § 380 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes setzt voraus, dass der Zeuge unter Hinweis auf die Folgen seines Ausbleibens...

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