Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungen zur Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme. Übernahme von Fahrtkosten für Pendelfahrten. Widerruf eines Bewilligungsbescheides bei Anmietung einer Zweitwohnung am Weiterbildungsort statt bewilligter Pendelfahrten
Orientierungssatz
Es stellt keinen den Widerruf eines Bescheides über Leistungen zur Weiterbildung einschließlich Fahrtkosten rechtfertigende Zweckverfehlung dar, wenn der Begünstigte bei einer auswärtigen Weiterbildungsmaßnahme eine zuerkannte Fahrtkostenpauschale statt für Pendelfahrten für eine Unterkunft in der Nähe des Weiterbildungsortes und Pendelfahrten zur Weiterbildungsstätte nutzt. Insoweit zielen sowohl Kostenübernahme für Fahrtkosten als auch Übernahme der Kosten einer auswärtigen Unterkunft auf den Zweck ab, die Teilnahme an der Maßnahme sicher zu stellen.
Tenor
1. Der Bescheid vom 3. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2008 (W 4102/07) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides über Leistungen für Fahrkosten für eine Weiterbildungsmaßnahme.
Die Klägerin nahm in dem Zeitraum vom 26. März 2007 bis 23. November 2007 an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme zur Managerin für den GUS-Markt teil. Der Beklagte förderte die Maßnahme über einen so genannten Bildungsgutschein gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 3 SGB III. Der Bildungsgutschein vom 7. März 2007 beinhaltet neben den Lehrgangskosten die Fahrkostenerstattung:
"Unabhängig von dem tatsächlich benutzten Verkehrsmittel wird für jeden Tag, an dem die Bildungsstätte aufgesucht wird, eine Pauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Bildungsstätte von 0,36 EUR für die ersten 10 km und 0,40 EUR für jeden weiteren Kilometer angesetzt. Monatliche Kosten für Pendelfahrten können grundsätzlich nur bis zur Höhe von 476 EUR übernommen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für die An- und Abreise bei einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung sowie für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,40 EUR für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstandes und dem Ort der Weiterbildung anzusetzen. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend."
In dem "Fragebogen zur Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme" gab die Klägerin am 20. März 2007 an, Pendelfahrten zwischen ihrer Wohnung in J und der Bildungsstätte in P in der Zeit vom 26. März 2007 bis 30. September 2007 mit einer kürzeste Straßenverbindung von 92 km vorzunehmen.
Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2007 der Klägerin insgesamt Leistungen für die Kosten des Lehrgangs in Höhe von 7581,92 EUR einschließlich Fahrkosten i.H.v. 3332 EUR. Dies entspricht dem monatlichen Höchstsatz von 476 EUR à 7 Monate.
Laut Aktenvermerk in der Verwaltungsakte (Bl. 50 der Sonderverwaltungsakte FbW- SGB II) bat die Klägerin am 15. Mai 2007 um Kostenübernahme für eine angemietete Zweitwohnung in B, da ihr die tägliche Fahrt von ca. 4 h zu anstrengend sei. Sie legte hierzu einen Untermietvertrag über ein möbliertes Zimmer in B, beginnend ab 26. März 2007 mit einer monatlichen Gesamtmiete von 350 EUR, vor. Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Aufhebung von Leistungen gemäß § 48 SGB X legte die Klägerin eine Routenberechnung für die Entfernung der Zweitwohnung in B zur Ausbildungsstätte vor, aus der sich eine einfache Fahrstrecke von 53 km ergibt. Die Klägerin nahm nachweislich im gesamten Maßnahmezeitraum an der Weiterbildungsmaßnahme teil.
Der Beklagte hob mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3. September 2007 (Blatt 169 der Sonderverwaltungsakte) die Entscheidung über die Bewilligung von Fahrkosten vom 26. März 2007 gänzlich rückwirkend ab Beginn der Maßnahme auf und stellte den ausgezahlten Betrag für Fahrkosten i.H.v. 2380 EUR zur Erstattung. Er stützte seine Entscheidung auf § 47 Abs. 2 SGB X. Zur Begründung der Entscheidung trug der Beklagte vor, die Klägerin habe ohne vorherige Zusicherung des SGB II-Trägers eine Zweitwohnung in B angemietet und damit die Fahrstrecke zwischen J und N nicht tatsächlich zurückgelegt, obwohl ihr entsprechende Fahrkosten bewilligt worden seien. Weiter führte er aus: "Auch nach Ausübung des durch den Gesetzgeber eingeräumten Ermessens war nach Aktenlage keine andere Entscheidung möglich." Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008 (Bl. 205 der Sonderverwaltungsakte) als unbegründet zurück. In der Begründung des Widerspruchsbescheides stützte der Beklagte die Entscheidung auf § 45 Abs. 1 SGB X, § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X, § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III als gebundene Entscheidung sowie hinsichtlich der Erstattung auf § 50 SGB X. Zur Begründung führte er aus, die Kläge...