Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Pflegeversicherung. Aufnahmepflicht. Entstehen der Vorsorgepflicht erstmals nach dem 1.1.1995. Auslegung von § 110 Abs 2 S 1 SGB 11. Anwendung des § 110 Abs 3 SGB 11
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufnahmepflicht nach § 110 Abs 2 S 1 SGB XI greift nicht, wenn die Vorsorgepflicht erstmals nach dem Inkrafttreten des SGB XI entstanden ist.
2. § 110 Abs 3 SGB XI ist auch dann anzuwenden, wenn nach dem 1. Januar 1995 eine Vorsorgepflicht neu entsteht.
Tenor
1. Der Beklagte ist verpflichtet, mit dem Kläger einen Vertrag über die private Pflegeversicherung im Sinne von § 93 Abs. 1 SGB XI abzuschließen, ohne diesen von der Beantwortung von Gesundheitsfragen abhängig zu machen, ohne den Ausschluss von Vorerkrankungen des Klägers und Wartezeiten sowie mit einer Prämienhöhe die den Höchstbetrag der sozialen Pflegeversicherung nicht übersteigt. Die Kinder des Klägers sind beitragsfrei mit zu versichern.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufnahme des Klägers in die private Pflegeversicherung bei der Beklagten ohne die Verpflichtung zur Angabe von Gesundheitsdaten.
Der 1975 geboren Kläger war zumindest bis 1994 bei dem Beklagten privat mit einer Krankheitskostenvollversicherung krankenversichert. Im Jahr 1994 war der Kläger Zeitsoldat in der Bundeswehr. Für die Zeit des Wehrdienstes hatte der Kläger einen Anspruch auf Heilfürsorge. Dennoch erfolgte für den Kläger zum 1. Januar 1995 eine Einstufung bei der Beklagten in den Tarif PVB (Pflegeversicherungstarif). Im September/Oktober 1996 begann der Kläger ein Studium der Rechtswissenschaft. Er war als Student bei einer gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert. In der Zeit vom 1. Februar 2006 bis 17. April 2006 war der Kläger als Eignungsübender und Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr tätig und hatte in dieser Zeit wiederum Anspruch auf Heilfürsorge. Die Mutter des Klägers beantragte am 9. Oktober 1996 bei der Beklagten die Beendigung der Krankheitskostenvoll- und privaten Pflegeversicherungsvertrages und die Umstellung in den Tarif AZ und WK (Anwartschaftstarif). Diesem Antrag kam der Beklagte nach.
Am 15. April 2006 stellte der Kläger den Antrag auf Abtrennung einer Versicherung und Bildung eines eigenen Versicherungsvertrages für die private Kranken- und Pflegeversicherung bei dem Beklagten. Der Beklagte bot dem Kläger den Abschluss der Versicherungen unter den Voraussetzungen, dass der Kläger vollständig Gesundheitsangaben tätigt, an. Mit Verweis auf die Anwartschaften im Tarif WK weigerte sich der Kläger weitere Gesundheitsangaben zu machen. Mit Schreiben vom 17. April 2006 teilte er darüber hinaus mit, dass er bei der Verpflichtung der Angabe von Gesundheitsdaten auf eine Pflegeversicherung verzichten würde.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Anwartschaftsversicherung nur für den Tarif PN (für nicht Beihilfeberechtigte) bzw. P/Z (für Beihilfeberechtigte) gelten würde. Ein Anrecht auf eine Versicherung nach Zusatztarifen sei aus den Tarifbedingungen des Anwartschaftstarifes nicht ableitbar. Dies würde insbesondere auch für die Pflegeversicherung gelten. Der Beklagte versicherte den Kläger in der Krankenversicherung nach dem Tarif PN im Jahr 2006 ohne Gesundheitsangaben aufgrund der Anwartschaft.
Der Kläger schloss für seine beiden Kinder nach deren Geburt im Jahre 2011 und 2013 jeweils bei dem Beklagten eine Pflegeversicherung ab, für die er monatliche Beiträge zahlt.
Im Jahr 2019 trat der Kläger erneut an den Beklagten heran, um eine Pflegeversicherung bei diesem abzuschließen, woraufhin der Beklagte wiederholt dem Kläger mitteilte, dass der Abschluss eines Vertrages von der Angabe von Gesundheitsdaten abhänge.
Der Kläger hat am 21. Januar 2020 vor dem Sozialgericht Klage erhoben.
Er ist der Ansicht,
er habe einen Anspruch auf Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages nach § 110 Abs. 1 S. 2 SGB XI zu den maximalen Prämienzahlungen in einer gesetzlichen Pflegepflichtversicherung, da er zu den sogenannten Altversicherten, die zum Zeitpunkt der Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 privat krankenversichert waren, gleichzustellen sei, da seine entgeltliche Anwartschaft auf Krankenversicherung den Zweck gehabt habe, eine umfängliche private Krankenversicherung ohne Gesundheitsprüfung zu ermöglichen. Es würde ein Kontrahierungszwang bestehen, der einen Ausschluss von Vorerkrankungen nicht gestatte. Ohne Abschluss des privaten Pflegeversicherungsvertrages mit dem Beklagten könne der Kläger die gesetzlich zwingend vorgesehene Pflegeversicherung nicht abschließen. Hilfsweise würde sich der Anspruch des Klägers auf Abschluss der Pflegeversicherung aus § 110 Abs. 3 SGB XI ergeben, da er bereits über eine 5-jährige Vorversicherungszeit in der privaten Krankenversicherung bei dem Beklagten verfüge.
Er beantragt,
der Beklagte wird verpflichtet, mit dem Kläger einen Vertrag über die private Pflegeversicherung im Sinne von § 2...