Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet trotz Zuständigkeit eines anderen EU-Staates für die Durchführung des Asylverfahrens. Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Kirchenasyl. dauerhafter Ausschluss von Analogleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt ein nach dem AsylbLG Leistungsberechtigter Kirchenasyl in Anspruch, um den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, begründet dies die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens iS von § 2 Abs 1 AsylbLG.
2. Hat ein nach dem AsylbLG Leistungsberechtigter die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, ist er grundsätzlich dauerhaft vom Bezug von Analogleistungen ausgeschlossen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der 1977 geborene Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger. Er reiste mit seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern am 8.7.2015 in das Bundesgebiet ein, wo sie am 8.9.2015 Asylanträge stellten. Zuvor hatten der Kläger und seine Familie bereits in Polen die Anerkennung als Asylberechtigte beantragt.
Die Regierung der Oberpfalz wies den Kläger und seine Familienangehörigen dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu (Zuweisungsbescheid vom 21.7.2015), wo sie seither in einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) leben und AsylbLG-Leistungen beziehen.
Die deutschen Behörden richteten unter dem 30.10.2015 ein Übernahmeersuchen nach Maßgabe der Dublin III-VO an Polen. Dort erklärte man mit Schreiben vom 6.11.2015 die eigene Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte daraufhin die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Bescheid vom 12.11.2015). Die Kläger und seine Familienangehörigen ließen hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht (VG) Regensburg erheben.
Mit Schreiben vom 30.11.2015 teilte das E.-L. Pfarramt S. L. (Pfarramt) mit, dass der Kirchenvorstand beschlossen habe, dem Kläger Kirchenasyl zu gewähren. Man gehe davon aus, dass diese Gewissensentscheidung der Kirchengemeinde respektiert und die angeordnete Abschiebung nach Polen ausgesetzt werde. Eine Überstellung lediglich der restlichen Familienmitglieder akzeptierten die polnischen Behörden nicht mit der Folge, dass die Überstellungsfrist am 6.5.2016 erfolglos ablief. Im Juni 2016 verließ der Kläger das Kirchenasyl.
Das VG Regensburg hat den Bescheid vom 12.11.2015 aufgehoben, soweit mit diesem die Asylanträge des Klägers und seiner Familienangehörigen als unzulässig abgelehnt worden sind; mit Ablauf der Überstellungsfrist sei die asylverfahrensrechtliche Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen der Zuständigkeit eines anderen Staates nicht mehr gegeben seien. Im Übrigen hat es das Verfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt (vom 1.6.2016 - RO 9 K 15.50682). Die anschließend im nationalen Verfahren geprüften Asylanträge blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 12.5.2017; VG Regensburg vom 20.7.2017 - RO 9 K 17.32993), ebenso der Asylfolgeantrag des Klägers vom 15.11.2017 (Bescheid vom 21.11.2017). Seitdem ist der Kläger - wie auch seine Familie - im Besitz von Duldungen (§ 60a AufenthG).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger und seiner Familie zuletzt für die Zeit ab 1.7.2016 laufend Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (Bescheid vom 27.7.2016). Am 16.11.2016 beantragte der Kläger für sich und seine Familie die Bewilligung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Analogleistungen an den Kläger ab (Bescheid vom 8.12.2016). Das Aufsuchen von Kirchenasyl stelle eine Handlung dar, mit der die Vollstreckung der Ausreisepflicht verhindert werden sollte. Die Dauer des Aufenthalts sei wegen des faktischen Abschiebehindernisses durch Kirchenasyl rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden. In der Folgezeit bezog der Kläger weiterhin Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (Bescheid vom 8.5.2017 und vom 8.1.2018).
Den gegen den Bescheid vom 8.12.2016 eingelegten Widerspruch wies die Regierung der Oberpfalz als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 3.5.2017) Der Widerspruchsführer habe seine Abschiebung vereitelt, weil er durch Untertauchen bzw Widerstand als aktive Handlung verhindert habe, das Asylverfahren zu einem unverzüglichen Abschluss zu bringen. Durch die aktive Inanspruchnahme von Kirchenasyl hätten aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können; der Widerspruchsführer habe sich faktisch dem Zugriff staatlicher Vollstreckungsorgane entzogen und trage damit eine wesentliche Mitursache für die Verhinderung seiner Ausreise.
Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor: Er habe weder aktiven Widerstand gegen die Abschiebung geleistet noch...