Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Vermutungsregelung und Beweislastumkehr

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für die Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach dem normtextlichen Verzicht auf das Kriterium der "eheähnlichen Gemeinschaft" und zur Anwendung der Vermutungsregel des § 7 Abs 3 SGB 2 bei mehr als einjährigem Zusammenleben.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren betrifft die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Der aus ... stammende, ... geborene Antragsteller wohnt gemeinsam mit der ... geborenen Zeugin ... seit dem 1. Oktober 2001 in einer gemeinsamen Wohnung in ... Grundlage ist ein von dem Antragsteller und der Zeugin gemeinsam als Mieter unterschriebener Mietvertrag vom 28. Juli 2001. Beide teilen sich die Mietkosten im Innenverhältnis je zur Hälfte.

Am 31. Mai 2005 führte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen unangemeldeten Hausbesuch bei dem Antragsteller durch. Der Antragsteller war anwesend und gewährte dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin, nachdem dieser sich legitimiert hatte, Einlass in die Wohnung. Auf Befragen erklärte der Antragsteller, mit der Zeugin ... lediglich in Wohngemeinschaft zu leben, er werde von dieser auch nicht finanziell unterstützt. In dem Bericht des Mitarbeiters der Antragsgegnerin heißt es sodann:

“Mit einer Inaugenscheinnahme der Wohnung erklärte er sich einverstanden. Die Wohnung besteht aus Wohnzimmer mit Essbereich, Schlafzimmer, Zimmer des Herrn ... sowie Küche und Bad. Das Zimmer des Hilfeempfängers war mit Schlafsofa und dreitürigem Kleiderschrank ausgestattet. Das Schlafsofa wurde ohne Bettzeug vorgefunden. Es wurde als Ablagefläche für persönliche Sachen des Hilfeempfängers genutzt. Der Kleiderschrank enthielt Herrenbekleidung. Auf dem Doppelbett im Schlafzimmer waren zwei Garnituren Bettzeug vorhanden. Eine Seite war noch nicht gemacht. Der sechstürige Kleiderschrank wird von Herrn ... mitgenutzt.„

Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller wiederholt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, zuletzt mit Bescheid vom 16. Februar 2006 für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 31. August 2006.

Am 14. August 2006 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Fortzahlungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Am 16. August 2006 führte der Mitarbeiter der Antragsgegnerin erneut einen unangemeldeten Hausbesuch beim Antragsteller durch. Der Antragsteller war anwesend und nahm den Mitarbeiter der Antragsgegnerin an der Wohnungstüre in Empfang. Auf Befragen erklärte er, nach wie vor mit Frau ... “in WG„ zu leben. Er schlafe im eigenen Zimmer. Den Kleiderschrank im Schlafzimmer von Frau ... nutze er mit. Er habe mittlerweile auch eine Rente beantragt. Einer erneuten Inaugenscheinnahme der Wohnung wollte der Antragsteller ohne vorherige Terminvereinbarung nicht zustimmen. Er wurde vom Mitarbeiter der Antragsgegnerin über die Beweislastumkehr informiert. Der Antragsteller erwiderte, es sei ihm egal, welche Entscheidung die Antragsgegnerin treffe. Er werde gegebenenfalls aus der Wohnung ausziehen; seinen neuen Hausstand müsse dann die Antragsgegnerin finanzieren.

Am 4. September 2006 wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin mündlich darauf hingewiesen, dass er Angaben zu seiner “mit ihm wohnenden Partnerin„ machen solle bzw. müsse.

Am 8. September 2006 sprach der Antragsteller erneut bei der Antragsgegnerin vor. Er wurde noch einmal aufgefordert, der Antragsgegnerin den Nachweis zu erbringen, dass er keine eheähnliche Gemeinschaft habe. Er wurde darauf hingewiesen, dass er nachweisen müsse, dass es so sei, wie er sage.

Mit Bescheid vom 8. September 2006 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Leistungen des Antragstellers ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil der Antragsteller mit einer Partnerin zusammenlebe, und nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen.

Gegen diesen Bescheid begehrte der Antragsteller am gleichen Tag, dem 8. September 2006, einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Reutlingen (S 10 AS 3333/06 ER). Zur Begründung führte er aus, dass er kein eheähnliches Verhältnis mit einer Partnerin habe. Er habe mit der Zeugin ... eine WG, bei der sie sich lediglich Miete und die Kosten für die täglichen Einkäufe teilten. Ansonsten sei das keine eheähnliche Partnerschaft. Er sei dringend auf das Geld angewiesen und brauche deshalb eine schnelle Entscheidung.

Das Gericht wies ihn mit Schreiben vom 22. September 2006 auf die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung hin. Aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese gesetzliche V...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge