Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsausgleichsverfahren. Gewährung von Nachlässen und Auferlegung von Zuschlägen. Teilnichtigkeit einer berufsgenossenschaftlichen Satzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 162 Abs 1 Satz 1 SGB 7 verpflichtet die gewerblichen Berufsgenossenschaften zu kombinierten Nachlass-Zuschlags-Verfahren.

2. Eine berufsgenossenschaftliche Satzung, die nur die Möglichkeit der Auferlegung von Beitragszuschlägen, nicht aber die Möglichkeit der Gewährung von Beitragsnachlässen vorsieht, ist insoweit teilnichtig.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 20. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2006 wird insoweit aufgehoben, als er einen Beitragszuschlag in Höhe von 7.731,60 € enthält.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Beitragszuschlages im Rahmen der Beitragsfestsetzung für das Jahr 2004.

Das klagende Unternehmen ist Mitglied bei der beklagten Berufsgenossenschaft. Mit Bescheid vom 20. April 2005 setzte die Beklagte den Beitrag der Klägerin für das Jahr 2004 in Höhe von 60.689,09 € fest. In dem Betrag ist ein Beitragszuschlag in Höhe von 7.731,60 € enthalten.

Der Beitragszuschlag beruht in tatsächlicher Hinsicht darauf, dass der Beklagten im Jahr 2004 für Arbeitsunfälle, die sich bei der Klägerin ereignet hatten, Aufwendungen in Höhe von insgesamt 14.788,47 € entstanden waren, davon allein Aufwendungen in Höhe von 14.384,20 € für einen Unfall des Mitarbeiters ... am 25. September 2003. Der Mitarbeiter ... war an diesem Tag mit Abbrucharbeiten an einem Bauvorhaben in ... beschäftigt. An diesem Bauvorhaben wurde eine WC-Sanierung durchgeführt. Dazu musste die Betondecke über der WC-Grube abgebrochen werden. Für diese Arbeiten wurde ein Bagger eingesetzt, um die vorhandene Betonplatte mit der Greifeinrichtung zu entfernen. Als die Betondecke mit dem Bagger von ihrem Auflager gelöst war und ein Verbundeisen zur Außenwand, welches der vorherigen Verankerung diente, nicht komplett abriss, sprang der Mitarbeiter ... ohne jegliche Arbeitsanweisung auf die schon in Schieflage am Greifer hängende Betondecke. Auf diesem beweglichen Betonteil verlor der Mitarbeiter ... das Gleichgewicht und stürzte in die 1,5 m tiefer gelegene WC-Grube.

Am 27. Mai 2005 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Beitragsbescheid ein, soweit es den Beitragszuschlag in Höhe von 7.731,60 € betrifft. Sie trug vor, dass der Mitarbeiter ... erst seit dem 1. September 2003 in der Firma beschäftigt gewesen sei und daher noch nicht gewusst habe, dass er sich nach ihren Vorgaben richten müsse. Weiterhin sei ihr bekannt, dass der Mitarbeiter ... bereits vor seinem Unfall mit Rückenschmerzen behaftet gewesen sei.

Mit Bescheid vom 7. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Berufsgenossenschaften gesetzlich verpflichtet seien, ein Beitragsausgleichsverfahren durchzuführen und unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Ein verbotswidriges Handeln schließe einen Arbeitsunfall nicht aus. Der Mitarbeiter ... habe am 25. September 2003 eine Arbeit verrichtet, die der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sei. Er habe keine eigene oder betriebsfremde Zwecke verfolgt. Ihr sei bekannt, dass er schon in der Vergangenheit Wirbelsäulenbeschwerden gehabt habe. In dem Beitragsausgleichsverfahren seien aber nur Aufwendungen berücksichtigt worden, die sich auf objektive Unfallfolgen bezögen. Es seien keine unfallunabhängigen Leistungen erbracht worden.

Mit der am 15. Mai 2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie behauptet, dass der Sprung des Mitarbeiters ..., der den Unfall verursacht hatte, eine absichtliche Eigenschädigung darstelle. Sie trägt weiter vor, dass der Mitarbeiter ... lediglich drei Tage arbeitsunfähig gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wodurch die hohen Aufwendungen verursacht worden seien. Sie bestreitet weiter, dass die Aufwendungen erst im Jahr 2004 angefallen seien. Des weiteren trägt sie vor, dass sie jahrzehntelang namhafte Versicherungsbeiträge ohne nennenswertes Schadensaufkommen geleistet habe. Schließlich ist sie der Ansicht, dass die Regelung des § 28 der Satzung der Beklagten rechtswidrig sei, weil sie lediglich Zuschläge, nicht aber Nachlässe vorsehe. Wenn § 162 Sozialgesetzbuch (SGB) VII Beitragsanreize für die gewissenhafte Umsetzung der Unfallverhütungsvorschriften schaffen solle, so sei dies allein mit Zuschlägen nicht möglich. Eine Prämie für besonders gewissenhaft handelnde Betriebe werde dadurch nicht erreicht. Die Satzung in der Fassung des Jahres 2004 verfehle den gesetzgeberischen Zweck und sei deshalb nichtig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 20. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2006 insoweit aufzuheben, als er einen Beitragszuschlag in Höhe von 7.731,60...

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