Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Übermittlung der Vollmacht für Rechtsanwalt per Telefax. Bestreitung des Zugangs durch den Grundsicherungsträger. Vorlage des Sendeberichtes mit OK-Vermerk. Anscheinsbeweis. Beweislastverteilung. Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten. Rechtsanwaltsvergütung

 

Orientierungssatz

1. Die Erstattung der Vorverfahrenskosten gem § 63 Abs 1 S 1, Abs 2 SGB 10 kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass keine Bevollmächtigung des Rechtsanwalts erfolgt bzw mitgeteilt worden ist, wenn für die Übersendung der Vollmacht per Telefax ein Sendeprotokoll mit OK-Vermerk den Anscheinsbeweis dafür liefert, dass die Telefax-Verbindung mit der Gegenstelle zustande gekommen und die Faxübertragung im Speicher des Empfangsgerätes angekommen ist.

2. Zur Notwendigkeit der Zuziehung des Rechtsanwalts gem § 63 Abs 2, Abs 3 S 2 SGB 10.

3. Zur Festsetzung der Geschäftsgebühr gem § 14 RVG iVm Nr 2400 RVG-VV.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 1.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.2.2011 verurteilt, dem Kläger die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung für die Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1.5.2008 bis 31.10.2008, 1.5.2007 bis 31.10.2007, 1.11.2007 bis 30.4.2008 sowie 1.11.2008 bis 31.12.2008 in Höhe von € 1.237,60 zu gewähren.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der ihm im Rahmen von vier Widerspruchsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger bezieht seit mehreren Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Der Kläger bewohnt seit dem Jahr 2000 eine 1,5-Zimmerwohnung im …. 11 in … . Mit Schreiben vom 4.8.2005 forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung seiner Kosten der Unterkunft und Heizung auf. Nachdem der Beklagte zunächst die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers in Höhe von € 318,48 berücksichtigt hatte, senkte er ab 1.3. die Kosten der Unterkunft und Heizung auf das von ihm für angemessen gehaltene Maß von € 273,00. In der Folgezeit stritt sich der Kläger mit dem Beklagten in mehreren Verfahren über die zu bewilligende Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung.

Mit Bescheid vom 3.4.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger SGB II-Leistungen für den Zeitraum 1.5.2007 bis 31.10.2007. Dabei berücksichtigte er Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von € 285,00. Mit Schreiben vom 23.4.2007 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er auf ein laufendes Verfahren vor dem Sozialgericht Schleswig, in dem es ebenfalls um die Höhe der dem Kläger zu bewilligenden Kosten der Unterkunft ging. Mit Bescheid vom 19.10.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1.11.2007 bis 30.4.2008, ebenfalls unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von € 285,00. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ebenfalls selbst Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 8.4.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum 1.5.2008 bis 31.10.2008. Dabei berücksichtigte der Beklagte Kosten der Unterkunft in Höhe von € 285,00. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 14.4.2008 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 24.9.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum 1.11.2008 bis 30.4.2009. Auch hier berücksichtigte er Kosten der Unterkunft in Höhe von lediglich € 285,00. Mit Schreiben vom 29.9.2008 legt der Kläger gegen diesen Bescheid wiederum selbst Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 10.2.2008 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 1.2.2009 bis 30.4.2009 Kosten der Unterkunft in Höhe von € 313,19. Mit Schreiben vom 13.2.2009 legte der Kläger Widerspruch gegen den Änderungsbescheid ein. Der Beginn der Neuberechnung müsse vom 1.1.2009 an erfolgen. Mit Änderungsbescheid vom 24.2.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1.3.2009 bis 30.4.2009 u. a. Kosten der Unterkunft in Höhe von 313,35 wegen einer Berücksichtigung der Erhöhung der Betriebskosten des Klägers. Mit Änderungsbescheid vom 6.4.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten der Unterkunft in Höhe von € 311,83 für den Zeitraum 1.1.2009 bis 31.1.2009.

Am 12.5.2009 schlossen der Kläger und der Beklagte im Hinblick auf die Höhe der Übernahme der Kosten der Unterkunft des Klägers in den Rechtssachen S 24 AS 406/06 und S 24 AS 327/09 einen Vergleich. Ausweislich des Sitzungsprotokolls verpflichtete sich der Beklagte Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich € 318,48 unter Änderung des Bescheids vom 10.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15.2.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2007 und des Bescheids vom 9.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.3.20...

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