Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütungsanspruch für stationäre Behandlung in sog Phase B nach Stufenkonzept der neurologischen Rehabilitation. Überschneidung stationäre Krankenhaus- und stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung in Einzelkomponenten. Abgrenzung nach im Einzelfall erforderlicher Schwerpunktsetzung hinsichtlich Behandlungsmethoden und -ziele
Leitsatz (amtlich)
1. Stationäre Krankenhaus- und stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung überschneiden sich in Einzelkomponenten in der Sache (so BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 13/19 R = BSGE 129, 232 = SozR 4-2500 § 76 Nr 6, RdNr 17; vgl zur Abgrenzung auch: VGH Mannheim vom 16.4.2015 - 10 S 96/13 = juris RdNr 40; BGH vom 18.11.2010 - III ZR 239/09 = juris RdNr 16).
2. Da die Maßnahmen der Rehabilitationseinrichtung und des Krankenhauses gleichermaßen auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind, erfolgt in Ermangelung konkretisierender gesetzlicher Vorgaben eine Abgrenzung nach der im Einzelfall erforderlichen Schwerpunktsetzung hinsichtlich der Behandlungsmethoden und -ziele (vgl LSG Chemnitz vom 12.11.2015 - L 1 KR 199/11 = juris RdNr 50).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.436,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2017 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 15.436,48 € festgesetzt.
Tatbestand
Umstritten ist ein weitergehender Vergütungsanspruch des klagenden Krankenhausträgers für die stationäre Behandlung eines Versicherten der beklagten Krankenkasse in der sog. Phase B nach dem Stufenkonzept der neurologischen Rehabilitation.
Der bei der Beklagten Versicherte W.F., geboren am (...), wurde in der Zeit vom 29. April 2016 bis 14. Juli 2016 vollstationär im Krankenhaus der Klägerin, der H. Klinik C-Stadt, (...), behandelt.
Der Versicherte erlitt am 25. März 2016 im Rahmen eines Herzinfarktes der Herz-Vorderwand einen Herz-Kreislauf-Stillstand mit Kammerflimmern und musste wiederbelebt werden. Sowohl der klinische Verlauf nach Beendigung eines künstlichen Komas wie auch die Untersuchung des Blutes und die MRT Untersuchung des Gehirns ergaben den Befund einer hypotoxisch-ischämischen Enzephalopathie als Folge des Herz-Kreislauf-Stillstands. Als Komplikation des primären Intensivstationsaufenthaltes traten eine tachykarde Herzrhythmusstörung mit Vorhofflattern, der Verdacht auf epileptische Anfälle, eine blutige Magenschleimhautentzündung sowie der Nachweis des multiresistenten Bakteriums Pseudomonas aeruginosa im Sekret der Luftröhre auf.
Am 29. April 2016 wurde der Versicherte zur Frührehabilitation in die Klinik der Klägerin verlegt. Im weiteren Verlauf der Behandlung kam es zu signifikanten Verbesserungen des neurologischen Befundes wie auch insgesamt des Gesundheitszustandes. Die Trachealkanüle wurde am 18. Mai 2016 entfernt, die PEG-Ernährungssonde am 27. Mai 2016. Ab Juni war der Versicherte zunehmend sicherer Fußgänger ohne Hilfsmittel. Allerdings bestand eine Störung der Orientierung sowie des Verhaltens. Wegen der Eigen- und Fremdgefährdung genehmigte das Amtsgericht Schwerin die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen, nämlich Bauchgurt und ein Fußgurt im Bett während der Nachtzeit, bis zum 14. Juli 2016 (Beschluss v. 28. Juni 2016).
Mit den Krankenkassen bestand für die Klinik eine Entgeltvereinbarung gem. § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG als besondere Einrichtung, die das Krankenhaus von der Anwendung der DRG-Fallpauschalen ausnahm. Als tagesbezogenes Entgelt nach § 6 Abs. 1 KHEntgG war für das Jahr 2016 ein Betrag in Höhe von 514 € (Neurologie ohne Beatmung) vereinbart.
Zugleich ist die Klägerin Trägerin einer Rehabilitationseinrichtung mit einem Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V.
Für den streitigen Krankenhausaufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt 40.268,62 € in Rechnung, die die Beklagte zunächst zahlte.
Im Ergebnis eines im Folgenden von der Beklagten eingeleiteten Prüfverfahrens (Gutachten des MD vom 24. Februar 2017) gelangte die Beklagte zu der Auffassung, dass die stationäre Krankenhausbehandlung notwendig gewesen sei, jedoch um 30 Tage hätte abgekürzt werden können (Entlassungstag 14. Juni 2016). Aufgrund der Schwere und insbesondere Genese der Erkrankung sowie des Krankheits- und Behandlungsverlaufs sei aus medizinischer Sicht davon auszugehen gewesen, dass perspektivisch funktionelle Defizite bestehen bleiben würden. Bereits am 27. Mai 2016 sei ein Antrag auf Pflegeleistungen gestellt worden. Im Behandlungsverlauf sei nach dem 27. Mai 2015 kein eindeutiger funktioneller Zugewinn mehr dokumentiert. Zudem sei das Zusatzentgelt (ZE130.01) nicht abrechenbar.
Daraufhin verlangte die Beklagte von der Klägerin insgesamt 16.494,50 € Euro erstattet. Am 21. September 2017 verrechnete sie ihren Rückzahlungsanspruch gegenüber einer anderen, unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin.
Mit ihrer am 15. September 2020 erhobenen Klage wende...