Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. ambulant betreutes Wohnen nach Entlassung aus der stationären Einrichtung. bisherige Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers. örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 98 Abs 5 SGB 12 erfasst auch Konstellationen, in denen vor Beginn des betreuten Wohnens keine Sozialhilfeleistungen bezogen worden sind.
2. Erfolgt ein nahtloser Übertritt von stationären Einrichtungen in ambulant betreute Wohnmöglichkeiten, ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor Eintritt in die erste Einrichtung maßgebend.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Rechtsgrundlage für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist die Bestimmung des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei ist grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig.
Im Hinblick auf die in Artikel 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtschutzes ist dies nur dann möglich, wenn sonst Rechtschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86 b Randnummer 31).
Die begehrte einstweilige Anordnung kann daher nur erlassen werden, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und wegen des Nichterfüllens dieses Anspruches schwere und anders nicht abwendbare Nachteile drohen (Anordnungsgrund). Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO sind die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen. Der Antragsteller hat das Bestehen eines Anordnungsanspruches und auch den Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Gewährung der beantragen Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX im ambulant betreuten Wohnen im “Haus …". Der Antragsgegner ist sowohl örtlich als auch sachlich zuständig für die beantragten Leistungen.
Die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners ergibt sich aus § 98 Abs. 5 SGB XII. Danach bleibt für Leistungen an Personen, die Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war. Die örtliche Zuständigkeit knüpft nicht an den tatsächlichen oder gewöhnlichen Aufenthalt an, sondern perpetuiert die örtliche Zuständigkeit des zuletzt zuständigen Trägers.
Vorliegend wurde der Antragsteller im Anschluss an eine Entwöhnungsbehandlung in der Fachklinik X. X., vom 24.5. - 6.10.2004 zum 6.10.2004 zur Adaptionsbehandlung in das Therapiezentrum X. aufgenommen. Das Ende dieser Maßnahme war für den 06.01.2005 vorgesehen. Kostenträger für diese Maßnahmen war jeweils die LVA X.. Ab dem 06.01.2005 sollte der Antragsteller in das ambulant betreute Wohnen in das “Haus X." wechseln. Sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene haben ihre örtliche Zuständigkeit für die beantragte Maßnahme verneint. Vor der Entwöhnungsbehandlung hatte der Antragsteller in X, in der X.-X.-Straße X, seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Diese Wohnung ist aufgelöst.
Erfolgt wie hier ein nahtloser Übertritt von zwei stationären Einrichtungen in das ambulant betreute Wohnen, ist gemäß § 98 Abs. 5 in Verbindung mit § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 109 SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war.
Soweit der Antragsgegner insoweit die Auffassung vertritt, dass vorliegend die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 1 SGB XII eingreife, weil nicht er, sondern die LVA … Kostenträger der Adaptionsbehandlung gewesen sei und somit eine Zuständigkeit für die Sozialhilfe vor dem Beginn des ambulanten Wohnens nicht bestanden habe, kann dem nicht gefolgt werden.
Zwar ist in der Tat fraglich, wie die örtliche Zuständigkeit zu bestimmen ist, wenn es bislang keinen zuständigen (Sozialhilfe-)Träger gab, weil Sozialhilfe - wie hier - erstmals im Rahmen des betreuten Wohnens erforderlich wird. Der Wortlaut des Abs. 5 könnte darauf hindeuten, dass eine hypothetische Zuständigkeitsbestimmung nicht möglich ist, die Zuständigkeit also nach allgemeinen Regeln (Abs. 1) bestimmt werden muss.
Nach Auffassung des Gerichts muss § 98 Abs. 5 SGB XII jedoch so ausgelegt werden, dass er auch die Konstellation erfasst, in dem vor Beginn des betreuten Wohnens keine Sozialhilfeleistungen bezogen worden sind. In diesen Fällen ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der für die konkrete Lebenssituation, in der sich der Betroffene vorher befunden hat, Sozialhilfe hätte leisten müssen, wenn dieser seinen Bedarf nicht selbst oder ...