Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. keine Beitragspflicht einer vorzeitigen Kapitalabfindung aus einer Direktversicherung, die nicht wegen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Altersversorgung gezahlt wird. unwiderlegbare Vermutung der Umgehung der Beitragspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Die vorzeitige Kapitalabfindung (Leistung der Deckungsrückstellung) aus einer für den Beschäftigten abgeschlossenen Lebensversicherung (Direktversicherung), die nicht wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Altersversorgung (Eintritt des Versorgungsfalls) erzielt wird, unterliegt grundsätzlich nicht der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5.
2. Es gibt keine unwiderlegbare Vermutung für eine Umgehung der Beitragspflicht nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 bei einer vorzeitigen Kapitalabfindung im "rentennahen Alter".
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2005 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht der Auszahlung der Deckungsrückstellung aus einer betrieblichen Direktversicherung zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der am … 1994 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war als Zivilbeschäftigter bei den US-amerikanischen Stationierungsstreitkräften in Deutschland versicherungspflichtig erwerbstätig (Dienststelle: Defense Finance and Accounting Service, Europe). Das Arbeitsverhältnis wurde durch einen am 29.09.2003 geschlossenen Aufhebungsvertrag zum 30.09.2004 gegen eine Abfindung beendet. Ausweislich des Aufhebungsvertrags bestand zwischen den Arbeitsvertragsparteien Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt, anstelle einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Zeitpunkt beendet wurde (vgl. Ziff. 1. Buchst. a. des Aufhebungsvertrages). Der Kläger ist seit dem 01.10.2004 arbeitslos.
Während der Dauer des vorgenannten Beschäftigungsverhältnisses bestand zugunsten des Klägers als Versicherten eine durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer bei der A.. Lebensversicherungs-AG (Versicherungsunternehmen) im Rahmen einer Gruppenversicherung abgeschlossene Kapital-Lebensversicherung. Die Versicherungsbeiträge wurden vom Arbeitgeber gezahlt. Vereinbarter Versicherungsfall waren die Vollendung des 65. Lebensjahres des Versicherten oder der Tod des Versicherten. Des Weiteren war vereinbart, dass die Kapital-Lebensversicherung beim Ausscheiden des Versicherten aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalls endet. Für diesen Fall stand dem Versicherten auf Antrag ein Anspruch auf Auszahlung der Deckungsrückstellung (d.h. des verzinslich angesammelten Teils der für die Versicherung entrichteten Beiträge, der nicht für das vom Versicherungsunternehmen getragene Risiko und die Verwaltungskosten verbraucht wurde) zu, wenn er im Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens 5 Jahre versichert war. Daneben hatte der Versicherte das Recht, die Versicherung als beitragsfreie Kapital-Lebensversicherung ohne Unfall-Zusatzversicherung im Rahmen der bestehenden Gruppenversicherung oder als beitragspflichtige Kapital-Lebensversicherung mit Unfall-Zusatzversicherung im Rahmen eines Einzelversicherungstarifs fortzuführen.
Der Kläger entschied sich dafür, die Versicherung nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen und die Zahlung der Deckungsrückstellung in Anspruch zu nehmen. Das Versicherungsunternehmen zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 23.09.2004 an, dass der Kläger am 30.09.2004 (Fälligkeits- und Auszahlungstermin) einen einmaligen Versorgungsbezug aus der vorgenannten Kapital-Lebensversicherung in Höhe von 35.295,00 € erhalte.
Durch Bescheid vom 19.10.2004 stellte die Beklagte fest, dass aus der zum 01.10.2004 erhaltenen Kapitalzahlung von 35.295,00 € Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten seien. Die Höhe der Beiträge wurde wie folgt berechnet: Aus der Kapitalzahlung von 35.295,00 €, geteilt durch 120 Monate (10 Jahre), wurde ein monatliches Einkommen von 294,13 € ermittelt, dass der Beitragsberechnung zugrunde gelegt wurde; bei einem Beitragssatz von 13,7 % zur Krankenversicherung und von 1,7 % zur Pflegeversicherung errechnete die Beklagte einen Monatsbeitrag von 40,30 € zur Krankenversicherung und von 5,00 € zur Pflegeversicherung. Der 10-Jahres-Zeitraum, innerhalb dem die Beiträge monatlich zu zahlen seien, reiche vom 01.10.2004 bis 30.09.2014.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, durch die übergangslose Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes auf die Versorgungsbezüge werde in unzulässiger Weise in den Vertrauensschutz seiner Alterssicherung eingegriffen. Die Anwendung der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelungen verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Grundgesetz ...