Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Bewertung. Diabetes mellitus Typ 1. Therapieaufwand und Einstellungsqualität
Orientierungssatz
Zur Festesetzung des Grades der Behinderung (GdB) bei Diabetes mellitus Typ 1 unter Berücksichtigung des Therapieaufwandes und der Einstellungsqualität.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).
Bei dem 1961 geborenen Kläger stellte der Beklagte letztmals aufgrund eines Diabetes mellitus Typ I - juveniler Diabetes - mit Bescheid vom 23.04.1991 einen Gesamt-GdB von 50 bei folgender Behinderungsbezeichnung fest:
Insulinpflichtige Zuckerkrankheit
Aufgrund der Änderung der Anhaltspunkte (AHP) erfolgte im Mai 2006 eine Überprüfung von Amts wegen. Der Beklagte zog einen Befundbericht des Dr. T…vom 30.06.2006 nebst augenfachärztlichem Untersuchungsbogen des Dr. G… vom 27.03.2006 bei. Darin wird der HBA1c-Wert des Klägers mit 6,5 und seine Sehfähigkeit beidseits mit 1,0 angegeben.
Der Beklagte hörte den Kläger nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren - (SGB X) mit Schreiben vom 11.09.2006 wegen einer Reduzierung des Gesamt-GdB auf 40 an.
Der Kläger machte geltend, sein Gesundheitszustand habe sich seit 1991 nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Es liege bei ihm nunmehr auch eine milde Retinopathie und ein Tinnitus vor.
Der Beklagte stellte dennoch mit Bescheid vom 10.11.2006 nur noch einen Gesamt-GdB von 40 aufgrund folgender Behinderung fest:
Zuckererkrankung Insulinpflichtige (40)
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, er mache eine intensivierte Insulintherapie, bei der er 4 Blutzuckermessungen machen und sich danach 4 x Insulin spritzen müsse.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2007 zurück.
Mit der am 20.02.2007 beim Sozialgericht Speyer erhobenen Klage macht der Kläger geltend, ihm stünde weiterhin ein Gesamt-GdB von 50 zu. Es könne auch ein Diabetes schwer einstellbar sein, der wie bei ihm nicht mit häufigen Entgleisungen einhergehe, bei denen Letzteres aber auf die optimale Mitarbeit des Patienten zurückgehe, wie auch das Sozialgericht Aachen (Urteil vom 19.04.2004 - S 12 SB 144/03 -) entschieden habe. Im Übrigen seien bei ihm in den letzten 5 Jahren nicht nur 2 Hypoglykämien, letztmals am 07.06.2008, aufgetreten, die einen Notarzteinsatz erforderten. Es würde auch sonst bei ihm häufig zu Unterzuckerungen kommen, die er selbst oder seine Ehefrau merken würden und die er mit Traubenzucker oder Apfelsaft ausgleichen könne. Bei ihm könne somit nicht von einem gewöhnlichen Therapieaufwand gesprochen werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 10.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, vorliegend könne der Diabetes mellitus nicht mit einem Gesamt-GdB von 50 bewertet werden. Dieser sei vielmehr gut eingestellt und Hypoglykämien seien auch nach den Angaben des Klägers nur zweimal in den letzten fünf Jahren aufgetreten. Aus der Einsatzdokumentation vom 07.06.2008 ergebe sich zudem, dass es beim ihm lediglich zu einer Hypoglykämie gekommen sei, welche eine Fremdbehandlung (Notarzt) notwendig machte, da er vergessen hatte zu essen.
Der Kläger hat ein Attest des Dr. T… vom 02.04.2007, eine Selbstbeschreibung vom 18.05.2007, eine Einsatzdokumentation vom 07.06.2008 und eine Darstellung seines erhöhten Therapieaufwandes vom 17.09.2008 bei Gericht eingereicht. Auf deren Inhalt wird verwiesen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 10.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2007. Dieser ist vielmehr rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
Nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch die Besserung oder Verschlechterung der bereits anerkannten Behinderung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamt-GdB um mindestens 10 ergibt, nicht jedoch bereits bei einer Veränderung eines Teil-GdB beim Vorliegen mehrerer Teil-Behinderungen. Die Änderung der Behinderungsbezeichnung oder das Hinzutreten weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkung auf die Höhe des Gesamt-GdB stellen allein ebenfalls keine wesentliche Änderung dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R). Die lediglich verwaltungsintern ermittelten Einzel-GdB-Werte sind notwendige, aber ...