Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für eine Magenbypassoperation bei Adipositas
Orientierungssatz
1. Konnte eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
2. Die medizinische Notwendigkeit von bariatrischen bzw. adipositaschirurgischen Operationen ist gegeben, wenn - der BMI größer als 40 bzw. größer als 35 und mit erheblichen Begleiterkrankungen verbunden ist,
- das Operationsrisiko - vor allem im Hinblick auf andere Erkrankungen des Versicherten - tolerabel ist,
- der Versicherte ausreichend motiviert ist, die Gewichtsreduktion herbeizuführen,
- keine manifeste psychische Erkrankung ursächlich ist,
- die Möglichkeit der lebenslangen medizinischen Nachbetreuung sichergestellt ist,
- konservative Maßnahmen zur Gewichtsreduktion erschöpft sind und
- Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen ergeben, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist (Anschluss: BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 2/02 R).
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2011 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten für die im August 2011 durchgeführte adipositaschirurgische Operation in Höhe von 8.305,19 € zu erstatten.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Magenbypassoperation.
Die am 01.08.1952 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 24.11.2010 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Operation zur Implantation eines Magenbypasses. Zur Begründung führte sie aus, dass sie seit ca. 20 Jahren gegen ihr Übergewicht kämpfe. In der Vergangenheit habe sie an einer 16-stündigen Ernährungsberatung in der Praxis Dr. ... und an dem DMP Diabetes Typ II Programm der Beklagten teilgenommen, ein dreiwöchiges Heilfasten mit Ernährungsberatung in einer Kureinrichtung am Bodensee absolviert, 3 Jahre Weight Watchers, Hypnose, Akupunktur, eine psychische Beratung bei der Psychotherapeutin, ERGOFIT, Medikamente von italienischen Ärzten in Frankfurt, verschiedene Diätprodukte und Heilpraktikerleistungen zur Unterstützung des Stoffwechsels ausprobiert und selbst bezahlt. Leider seien die Erfolge, wenn überhaupt, nur kurzfristig, weil sie dann wieder "Heißhunger" bekomme und esse. Sie habe durch ihr Übergewicht große Probleme mit den Gelenken und Knien, einen Bandscheibenvorfall, Nierenprobleme durch die Diabetes-Medikamente und die Prognose sei ohne diese Operation für die Zukunft nicht positiv. Ihre einzige Chance auf ein Leben ohne Schmerzen und Medikamente bestehe aus einer Operation und der daraus resultierenden dauerhaften Gewichtsabnahme. Beigefügt waren Atteste des Internisten und Diabetologen Dr. ... vom 18.11.2010 und des Dr. ... (Chefarzt der chirurgischen Abteilung des ... Krankenhauses Zweibrücken) vom 12.11.2010. Dr. ... teilte mit, dass sich das Gewicht der Klägerin von März 2008 bis August 2010 von 124,2 kg auf 130 kg erhöht habe. Zwischenzeitlich habe die Klägerin im Jahr 2009 bis zu 137 kg gewogen. Die von ihr durchgeführten Behandlungsmaßnahmen (Ernährungsberatungen, Hypertonieschulung, medikamentöse Behandlung) hätten allenfalls zu kurzfristigen Gewichtsänderungen mit Gewichtsabnahme sowie nachfolgend erneuter Zunahme bei teilweise ausgeprägtem Impulsessen geführt. In Verbindung mit dem ausgeprägten Übergewicht sei es inzwischen zu ausgesprochen belastenden Beschwerden durch Bandscheibenvorfall sowie Gonarthrose und statischen Fußbeschwerden gekommen. Komplizierend bestehe seit längerer Zeit eine deutliche Einschränkung der Nierenfunktion. Auch bei der gebesserten diabetischen Stoffwechsellage bestehe aufgrund des kardiovaskulären Risikoprofils und der deutlich schlechteren Gesamtprognose bei fortbestehender Adipositas in dem vorliegenden Ausmaß eine eindeutige Indikation zu einer operativen Therapie (bariatrische Chirurgie). Die möglichen konservativen Behandlungsmethoden seien weitgehend ausgeschöpft. Dr. ... führte aus, dass derzeit ein Body-Maß-Index (BMI) von 49,5 vorliege. Es liege eine dringend behandlungsbedürftige Adipositas vor. Die Richtlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft zur operativen Therapie erfülle die Klägerin. Auf Grund des Essverhaltens und Vorgeschichte der Klägerin empfehle er die Anlage eines Schlauchmagens oder Y-Roux-Magenbypasses.
Aufgrund dessen holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten bei dem Arzt ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam am 03.03.2011 nach Aktenlage zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin zwar eine krankhafte Adipositas vorliege und sie s...