Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Krankenhausbehandlung. Prüfverfahren durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Anspruch auf Aufwandspauschale unabhängig vom Anlass zur Einleitung der Prüfung. Unzulässigkeit einer "einschränkenden Auslegung" iS der Nichtanwendung einer einschlägigen Norm. Verzinsung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Aufwandspauschale aus § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 entsteht unabhängig davon, ob die Krankenkasse durch eine fehlerhafte Abrechnung oder unzureichende bzw fehlerhafte Angaben Anlass zur Einleitung der Prüfung hatte (Anschluss an SG Mainz vom 14.6.2013 - S 17 KR 58/12; Fortführung SG Speyer vom 18.6.2014 - S 19 KR 229/12, entgegen BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3 und vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 15).

2. Eine "einschränkende Auslegung" iS der Nichtanwendung einer einschlägigen Norm ist methodisch nicht zulässig. Die Verkürzung eines gesetzlich eingeräumten Anspruchs im Wege der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm durch die Rechtsprechung verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG, Art 97 Abs 1 GG).

3. Der Anspruch auf Aufwandspauschale ist in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Bei Geltendmachung von Prozesszinsen beginnt die Verzinsungspflicht mit Eintritt der Rechtshängigkeit (entgegen BGH vom 24.1.1990 - VIII ZR 296/88).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 300 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Aufwandspauschale.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patientin H… L… befand sich vom 11.11.2010 bis zum 19.11.2010 im von der Klägerin betriebenen Krankenhaus in stationärer Behandlung.

Die Klägerin stellte der Beklagten die Behandlungskosten am 07.12.2010 in Höhe von 4.154,59 Euro auf Grundlage der DRG G46B (Verschiedenartige Gastroskopie bei schweren Krankheiten der Verdauungsorgane verbunden mit äußerst schweren CC, schweren CC oder mit komplizierendem Eingriff oder verbunden mit schweren CC bei Kindern) in Rechnung.

Mit Schreiben vom 06.01.2011 teilte die Beklagte mit, dass der in Rechnung gestellte Betrag unter Vorbehalt gezahlt werde. Zugleich gab sie an, die übermittelten Daten ließen eine zweifelsfreie Beurteilung der angegebenen Nebendiagnosen nicht zu. Damit eine sozialmedizinische Stellungnahme abgegeben werden könne, werde die Klägerin gebeten, möglichst kurzfristig bis zum 07.02.2011 die in der Anforderung des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) angegebenen Unterlagen dorthin zu senden. In der Anlage befand sich ein Schreiben des SMD vom selben Tag. Hierin zeigte dieser die Durchführung des SMD-Verfahrens gemäß § 275 SGB V an und bat um Übersendung von Entlassbericht und Aufnahmebefund.

Nachdem die Beklagte wiederholt an die Übersendung erinnert hatte, teilte sie mit Schreiben vom 25.02.2011 mit, der Behandlungsfall werde mit der DRG G67B vergütet. Bereits gezahlte Beträge würden mit einer der nächsten Rechnungen einbehalten. Die Klägerin übersandte daraufhin die angeforderten Unterlagen letztlich am 11.03.2011.

Mit Schreiben vom 01.06.2011 forderte der SMD nunmehr noch die Übersendung von Pflegebericht, Aufnahmebefund, Laborbefunden, Kurvenplan/Fieberkurve und Dekubitusdokumentation. Diese Unterlage übersandte die Klägerin am 29.06.2011.

Nach Abschluss der SMD-Prüfung teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23.08.2011 mit, dass die Abrechnung hinsichtlich der Höhe zu Recht erfolgt sei. Die Nachzahlung des bisher strittigen Betrages werde veranlasst.

Die Klägerin stellte daraufhin unter dem 12.09.2011 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro in Rechnung und forderte zur Zahlung innerhalb von 14 Tagen auf.

Mit Schreiben vom 22.09.2011 lehnte die Beklagte die Zahlung der Aufwandspauschale ab. Die Einzelfallprüfung sei durch die vom Krankenhaus zunächst unrichtig übermittelten Daten veranlasst worden. Bei einer inhaltlich korrekten Übermittlung von Aufnahme- und Entlassdaten wäre eine Beanstandung nicht initiiert worden. Die Beklagte verwies auf das Urteil des BSG vom 22.06.2010 (B 1 KR 1/10 R). Danach bestehe kein Anspruch auf Aufwandspauschale, wenn es durch ein “Fehlverhalten des Krankenhauses„ zu einem MDK-Verfahren gekommen sei. Grundlage für die von der Krankenkasse veranlasste Einzelfallprüfung müsse die korrekte Datenlieferung nach § 301 SGB V sein.

Die Klägerin hat am 09.12.2011 Klage erhoben. Sie habe die angeforderten Daten übermittelt und die Abrechnung habe sich als richtig erwiesen. Die Aufwandspauschale sei auch nicht verwirkt.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich:

Die Beklagte wir...

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