Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Bewilligung für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft stellt begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Nebenbestimmung. Anforderungen an die Zulässigkeit einer Befristung. Fortbestand des einmal entstandenen Anspruchs. Beendigungstatbestände. Änderung des § 46 SGB 5 durch GKV-VSG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bewilligung von Krankengeld stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, wenn Krankengeld für eine bestimmte oder auch unbestimmte Zeit in der Zukunft gewährt wird (vgl BSG vom 23.4.1996 - 1 RK 19/95 = BSGE 78, 149 = SozR 3-2500 § 50 Nr 4 RdNr 12; SG Speyer vom 20.3.2015 - S 19 KR 969/13 = juris RdNr 83; SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 = juris RdNr 67 und SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15 = juris RdNr 33).

2. Die Bewilligung von Krankengeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt kann im Einzelfall nur angenommen werden, wenn in der konkreten Bewilligungsentscheidung eine entsprechende Befristung der Leistung auch tatsächlich verfügt wurde. Die Zulässigkeit einer solchen Befristung wäre in diesem Fall an § 32 Abs 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zu messen, da die Gewährung von Krankengeld nicht im Ermessen der Krankenkasse steht.

3. Der materielle Anspruch auf Krankengeld besteht nach seiner Entstehung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauert und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht ist. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergibt sich weder aus einer in der “Bescheinigung" angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig kann eine Entscheidung der Krankenkasse den materiellen Anspruch zum Ende eines “Bewilligungszeitraums„, also durch eine (unzulässigen) Befristung der Bewilligung enden lassen (entgegen BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R = BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).

4. Die zum 23.7.2015 erfolgte Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) führt weder für die Zukunft noch rückwirkend zu einer wesentlichen Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen für den Fortbestand des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs (ausführlich SG Speyer vom 11.7.2016 - S 19 KR 599/14 = juris RdNr 80ff).

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 02.04.2016 bis zum 07.11.2016 weiteres Krankengeld auszuzahlen.

3. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung weiteren Krankengeldes für die Zeit vom 02.04.2016 bis zum 07.11.2016.

Der 1957 geborene Kläger war zuletzt bei der Firma O. D. GmbH & Co. KG in M. beschäftigt. Seine Tätigkeit bestand in der Entsorgung von Materialien der B. L. Seit dem 11.05.2015 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Das Beschäftigungsverhältnis endete am 22.02.2016.

Mit Bescheid vom 09.07.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Krankengeld ab dem 23.06.2015 in Höhe eines kalendertäglichen Auszahlungsbetrages von 40,43 Euro. Der Bescheid enthielt den Zusatz: “Bei Krankengeld handelt es sich nicht um eine dauerhafte Bewilligung. Deshalb prüfen wir für Sie den Anspruch nach Einreichung des Auszahlscheins neu. Sind die Voraussetzungen erfüllt, erhalten Sie das Krankengeld für den zurückliegenden Zeitraum bis zum letzten Vorstellungsdatum beim Arzt.„

Krankschreibungen erfolgten durch die Praxis Dr. J./Dr. W. in L. Das Krankengeld wurde abschnittsweise jeweils nachträglich ausgezahlt, wobei zwischen dem Ende des Zahlungszeitraums und der tatsächlichen Auszahlung einige Tage bis mehrere Wochen lagen. So erfolgte die Auszahlung für die Zeit vom 03.02.2016 bis zum 15.02.2016 erst am 15.03.2016.

Am 18.03.2016 suchte der Kläger die Arztpraxis auf, um eine Folgebescheinigung zu erlangen. Der behandelnde Arzt Dr. W. attestierte dem Kläger die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit, wobei er in das hierfür vorgesehene Feld auf dem Attest eintrug, die Arbeitsunfähigkeit dauere voraussichtlich bis zum 01.04.2016. Ein Folgetermin wurde zugleich für den 11.04.2016 vereinbart. An diesem Tag stellte der Arzt wiederum eine Folgebescheinigung aus.

Mit Bescheid vom 02.06.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Krankengeld bestehe nur bis zum 01.04.2016, da aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Krankengeldanspruch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nur fortbestehe, wenn die “auszustellenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen„ immer innerhalb des bereits dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeitraums “weiter bescheinigt„ würden. Dies solle “einen lückenlosen Krankengeldanspruch sicherstellen„. Ein Kranken...

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