Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV. Gebührenrahmen. Bemessung. hypothetischer Aufwand

 

Orientierungssatz

1. Auch bei der sog "fiktiven" Terminsgebühr hat der Gesetzgeber den Gebührenrahmen in vollem Umfang eröffnet, so dass bei der Bemessung der Gebühr auf die in den §§ 3, 14 RVG normierten Kriterien abzustellen ist.

2. Nach Gesetzeswortlaut und Zweck der Regelung über eine fiktive Terminsgebühr im RVG-VV ist dabei auch der hypothetische Aufwand zu berücksichtigen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahren voraussichtlich entstanden wäre.

3. Die Kammer hat ihre frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach für eine fiktive Terminsgebühr lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 20 Euro anzusetzen war.

 

Gründe

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren. Der Erinnerungsführer macht insoweit die Festsetzung einer höheren Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG sowie eine höhere Dokumentenpauschale nach Nr 7000 VV RVG geltend.

Die Erinnerung ist teilweise begründet.

Zu Unrecht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle lediglich eine Terminsgebühr nach der Nr 3106 VV RVG in Höhe von 20,- EUR festgesetzt. Zutreffend ist die Terminsgebühr in Höhe von 100,- EUR festzusetzen. Ein Anspruch auf eine Terminsgebühr in Höhe von 200,- EUR -wie vom Erinnerungsführer beantragt- besteht dagegen nicht.

Eine Terminsgebühr (Nr 3106 VV) fällt nach dem Wortlaut des VV ua dann an, wenn das Verfahren - wie hier - nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Damit hat der Gesetzgeber auch bei der sogenannten "fiktiven" Terminsgebühr den Gebührenrahmen in vollem Umfang eröffnet, so dass bei der Bemessung der Gebühr wiederum auf die in den §§ 3, 14 RVG normierten Kriterien abzustellen ist.

Nach Gesetzeswortlaut und Zweck der Regelung über eine fiktive Terminsgebühr im VV RVG ist dabei auch der hypothetische Aufwand zu berücksichtigen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahren voraussichtlich entstanden wäre (vgl hierzu SG Hamburg, Beschluss vom 17. Januar 2008 - S 8 AL 750/06; SG Oldenburg, Beschluss vom 29. Januar 2009 - S 10 SF 123/08, SG Lüneburg, Beschluss vom 16. März 2009 - S 12 SF 64/09 E; aA SG Hildesheim, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - S 12 SF 70/07 - wonach allein auf die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers abzustellen ist). Nur so kommt die von der Gebührenbestimmung ausgehende Anreizfunktion für den beteiligten Rechtsanwalt zur Geltung, auf die Durchführung eines Termins bei Wahrung des vollen Gebührenanspruchs zu verzichten. Die Kammer hat ihre frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach für eine fiktive Terminsgebühr lediglich die Mindestgebühr in Höhe von 20 EUR anzusetzen war.

Die Dokumentenpauschale nach Nr 7000 VV RVG ist von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zutreffend mit 23,- EUR festgesetzt worden. Die Kosten für Ablichtungen sind nach dieser Regelung erstattungsfähig, soweit sie zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten sind. Bei der Beurteilung, was zur Bearbeitung der Sache sachgemäß ist, ist auf die Sicht abzustellen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Rechtsanwalt haben kann, wenn er sich mit der betreffenden Leistungsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können. Dem Rechtsanwalt ist ein gewisser Ermessensspielraum zu überlassen. Nach der ständigen Rechtssprechung der niedersächsischen Sozialgerichte (ua SG Osnabrück, Beschluss vom 13. Juni 2007 -S 1 SF 56/06; SG Hildesheim, Beschluss vom 20. Oktober 2008 -S 12 SF 28/08) kann allerdings derjenige, der sich nicht der Mühe unterziehen will den Umfang der Ablichtungen bei Erhalt der Akten konkret und sachbezogen zu bestimmen, die Kosten für überflüssige Schreibauslagen nicht der Staatskasse bzw dem Leistungsträger aufbürden. Anhand des Inhalts der Leistungsakte wird deutlich, dass der Erinnerungsführer offensichtlich Ablichtungen des gesamten Inhalts der Akte gefertigt hat, ohne eine Prüfung der Notwendigkeit vorzunehmen. Die Feststellung der Urkundsbeamtin, dass lediglich 46 Fotokopien als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung/Verteidigung iS von § 193 Abs 2 SGG anzusehen und damit erstattungsfähig sind, ist danach nicht zu beanstanden.

Nach alledem berechnen sich die erstattungsfähigen Gebühr und Auslagen wie folgt:

Verfahrengebühr Nr 3102 VV 250,00 EUR Terminsgebühr Nr 3106 VV 100,00 EUR Dokumentenpauschale Nr 7000 VV 23,00 EUR Auslagenpauschale Nr 7002 VV 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr 7008 VV (19%) 74,67 EUR Summe 467,67 EUR

Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 197 Abs 2 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2265739

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