Entscheidungsstichwort (Thema)

Bundeselterngeld. Eheähnliche Lebensgemeinschaft. Wohnsitz. Anspruchberechtigung bei Auslandsbezug. Verfassungsrecht. EG-Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung auf Ehegatten und Lebenspartner in § 1 Abs 2 Satz 2 BEEG trifft nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken. Eine nicht verheiratete Antragstellerin und Lebensgefährtin eines im Sinne des § 1 Abs 2 Nr 1 BEEG vom Arbeitgeber in das Ausland entsandten Arbeitnehmers, der weiter dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt, hat keinen Anspruch auf Elterngeld über § 1 Abs 2 Satz 2 BEEG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen B 10 EG 16/11 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Leistungsberechtigung der Klägerin in Bezug auf Elterngeld gemäß § 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).

Die Klägerin und ihr Lebensgefährte Herr F., der als Stammmitarbeiter bei G. beschäftigt ist, lebten vom Juni 2002 bis Mai 2010 in H. in Frankreich, da der Lebensgefährte der Klägerin seitens seines Arbeitgebers dorthin für acht Jahre entsandt wurde. Er war während dieser Zeit durchgehend bei einer deutschen Krankenkasse versichert. Die Klägerin behielt während dieser Zeit ihren formellen Wohnsitz in Deutschland bei, war zugleich aber auch in Frankreich gemeldet und in den Jahren 2002 bis 2005 für einen französischen Arbeitgeber tätig. Ihr Einkommen wurde in Frankreich versteuert.

Am 7. Mai 2008 wurde der gemeinsame Sohn I. in H. geboren. Die Klägerin erhielt in diesem Zusammenhang von der zuständigen französischen Familienkasse (CAF) Mutterschaftsgeld bis zum 20. August 2008 und anschließend für vier Monate Erziehungsgeld nach Maßgabe der französischen Sozialvorschriften. Beide Leistungen waren einkommensunabhängig. Einkommensabhängige staatliche Sozialleistungen nach französischem Recht wurden der Klägerin nicht bewilligt, weil das maßgebliche (gemeinsame) Einkommen über den Bemessungsgrenze lag.

Am 31. Oktober 2008 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Elterngeld für den fünften bis zwölften Lebensmonat ihres Sohnes I.. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Dezember 2008 mit der Begründung ab, dass die Klägerin ihren Wohnsitz im Ausland habe. Der Widerspruch der Klägerin, in dem sie darauf hinwies, dass sie auch in Deutschland gemeldet sei und sich eine Leistungsberechtigung auch aus § 1 Abs 2 BEEG ergebe, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 als unbegründet zurück.

Am 11. August 2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die Ablehnung des Beklagten stütze sich letztlich nur darauf, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte nicht verheiratet seien, denn für Ehegatten sehe das Gesetz in einer Konstellation wie der vorliegenden eine Leistungsberechtigung vor. Hierin liege eine Ungleichbehandlung, die gegen Artikel 3 Abs 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs 1 Grundgesetz verstoße. Außerdem würden die europarechtlichen Verordnungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sowie über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherung verletzt. Die Entscheidung des Beklagten verstoße auch gegen Artikel 6 Abs 5 GG zu Lasten des Sohnes der Klägerin. Eine Zuerkennung der begehrten Leistung ergebe sich im Übrigen aus § 2 Abs 2 SGB I.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Dezember 2008 in Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2009 zu verpflichten, ihr für ihren Sohn I. seit dem 7. Mai 2008 Elterngeld nach den Vorschriften des BEEG in gesetzlicher Höhe zzgl Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid.

Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte durch die Kammer ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG entscheiden, nach dem das Gericht die Beteiligten hierzu angehört hat und diese ihre Zustimmung gegeben haben.

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung des Beklagten erweist sich als rechtmäßig und beschwert die Klägerin daher nicht, § 54 Abs 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn I., da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach dem BEEG weder nach § 1 Abs 1 BEEG (1) noch nach § 1 Abs 2 Nr 1 BEEG (2) nicht erfüllt sind.

Gemäß § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4).

Gemäß § 1 Abs 2 Nr 1...

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