Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Förderung der beruflichen Weiterbildung. Pendelfahrten zur Praktikumsstelle. Fahrkostenerstattung für Wegstrecke oder Entfernungskilometer. kein Ermessen des Grundsicherungsträgers. § 6 Abs 1 Nr 3 Buchst b AlgIIV 2008 keine abweichende Regelung iS des § 16 Abs 2 S 1 SGB 2. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Förderung einer beruflichen Weiterbildung gem § 16 Abs 1 S 2 SGB 2 iVm den §§ 77 ff SGB 3 hat der Grundsicherungsträger für die Pendelfahrten eines Hilfebedürftigen mit dem Kraftfahrzeug zur Praktikumsstelle gem § 81 SGB 3 Fahrkosten in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs 1 BRKG zu erstatten. Unter dem Begriff Wegstrecke iS des § 5 Abs 1 BRKG ist nicht nur die einfache Strecke, sondern die Hin- und Rückfahrt zu verstehen.
2. Bereits aus dem Wortlaut des § 16 Abs 2 S 1 SGB 2 ergibt sich, dass das "Wie" der Leistungserbringung, also auch die Höhe der Leistungen gerade nicht im Ermessen des Grundsicherungsträgers steht, sondern die Vorschriften des SGB 3 gelten.
3. Weder § 16 Abs 1 SGB 2 selbst, noch § 6 Abs 1 Nr 3 Buchst b AlgIIV 2008 stellen abweichende Regelungen iS des § 16 Abs 2 S 1 SGB 2 dar.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme weiterer Fahrtkosten in Höhe von 169,90 EUR für den Monat Oktober 2009.
Der Kläger bezieht laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitsuchende- (SGB II) durch den Beklagten.
Neben den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur beruflichen Weiterbildung in Form einer Teilnahme an der unentgeltlichen Weiterbildungsmaßnahme “Qualifizierung zum Kraftfahrer im Güterverkehr„. Im Zusammenhang mit der Bildungsmaßnahme war der Kläger verpflichtet, im Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. November 2009 ein unentgeltliches Praktikum bei der Firma “G. GmbH„ in H. zu absolvieren. Zum Zeitpunkt der Maßnahme wohnte der Kläger in I. Die Entfernung zwischen der Praktikumsstelle und dem Wohnsitz des Klägers betrug 53 Kilometer. Um zur Praktikumsstelle zu gelangen, benutzte der Kläger jeweils einen PKW. Der Kläger nahm im Monat Oktober 2009 an 16 Tagen am Praktikum teil. Am 29. September 2009 beantragte der Kläger die Übernahme der Fahrtkosten für die Hin- und Rückfahrt per PKW zur Praktikumsstelle. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger 163,90 EUR Fahrtkosten für den Monat Oktober 2009. Dabei legte er lediglich die einfache Strecke I. -H. also 53 Kilometer sowie einen Betrag in Höhe von 0,20 EUR pro Entfernungskilometer und 16 Praktikumstag zugrunde.
Hiergegen erhob der Kläger am 25. November 2009 Widerspruch mit der Begründung, der Beklagte hätte ihm nicht nur die Kosten für die einfache Entfernung, sondern jeweils für die Hin- und Rückfahrt erstatten müssen.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Rahmen des § 16 Abs 1 SGB II dem Leistungsträger nicht nur bezüglich der Übernahme der Fahrtkosten sondern auch bezüglich der Höhe der Fahrtkosten Ermessen zustehe. Es sei auf § 6 Abs 1 Nr 3 b der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) abzustellen. Danach seien lediglich Kosten für die einfache Entfernung zu übernehmen.
Hiergegen hat der Kläger am 22. Dezember 2009 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, dem Beklagten stehe nur bezüglich der Gewährung von Fahrtkosten ein Ermessensspielraum zu. Sofern der Beklagte Fahrtkosten gewähre, so habe er zwingend entsprechend den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch -Arbeitsförderung- (SGB III) und somit entsprechend dem Bundesreisekostengesetz (BRKG) die Kosten für die Hin- und Rückfahrt zu übernehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 8. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 zu verurteilen, ihm für den Monat Oktober 2009 weitere Fahrtkosten in Höhe von 169,90 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus führt er aus, es sei nicht einzusehen, warum die Regelung des § 6 Abs 1 Nr 3 b der Alg II-V nur für Leistungsempfänger gelten solle, die eine Erwerbstätigkeit nachgingen, nicht jedoch für Leistungsempfänger die lediglich an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnähmen. Im Übrigen sei zu bedenken, dass die Leistungen nach dem SGB II anders als die Leistungen nach dem SGB III nicht beitrags- sondern steuerfinanziert seien. Außerdem sei der Beklagte bereit, über § 6 Abs 1 Nr 3 b Alg II-V hinaus höhere nachgewiesene Fahrtkosten zu erstatten.
Die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteilig...