Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Erstattungsanspruch eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufgrund aufenthaltsrechtlicher Verpflichtungserklärung. Erstattung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Leitsatz (amtlich)
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist aus Sachnähegründen dann zulässig, wenn im Prozess das Erstattungsverlangen eines Trägers der Grundsicherung im Sinne des § 51 Abs 1 Nr 4a SGG im Streit steht und diesem Erstattungsverlangen einem Dritten bewilligte Leistungen nach dem SGB II zugrunde liegen. Dies gilt auch dann, wenn der Erstattungsanspruch selbst seine Grundlage im Aufenthaltsrecht (hier: § 68 AufenthG 2004) hat.
Orientierungssatz
Entgegen den Entscheidungen des LSG Essen vom 12.11.2009 - L 20 B 26/09 AY = SAR 2010, 9 und des LSG Stuttgart vom 23.10.2007 - L 9 SF 785/07 ist die Sachnäherechtsprechung des BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 6 anwendbar, der sich das Gericht anschließt.
Tenor
Der beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen seine Heranziehung zur Erstattung von vom Beklagten an seine Enkelin in der Zeit vom 22.11.2006 bis 31.07.2007 erbrachten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auf Grundlage einer aufenthaltsrechtlichen Verpflichtungserklärung.
Der Kläger wurde am … 1930 in Jordanien geboren, ist deutscher Staatsbürger und bezieht Altersrente. Er ist der Großvater der am … 1991 geborenen A. (zukünftig nur noch Enkelin), die die jordanische Staatsangehörigkeit besitzt. Unter dem 03.07.2002 gab der Kläger gegenüber der Stadt F. - Amt für öffentliche Ordnung - eine sog. Verpflichtungserklärung ab. Darin verpflichtete er sich schriftlich, “ nach § 84 des Ausländergesetzes die Kosten für den Lebensunterhalt und nach §§ 82 und 83 des Ausländergesetzes die Kosten für die Ausreise „ seiner Enkelin zu tragen. Die vom Kläger eigenhändig unterschriebene Erklärung enthält unter anderem folgenden Passus: “ Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden (z. B. Arztbesuch, Medikamente, Krankenhausaufenthalt). Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen, im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen. (…) Ich bestätige, zu der Verpflichtung aufgrund meiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein. „ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verpflichtungserklärung vom 03.07.2002 Bezug genommen (Blatt 41/42 der Verwaltungsakte). Die Enkelin reiste sodann am … 2003 in das Bundesgebiet zwecks Familienzusammenführung ein, erhielt von der Stadt F. - Ausländerbehörde - eine befristete Aufenthaltserlaubnis und lebte zunächst im Haushalt des Klägers in F. Seit dem 14.09.2006 lebt die Enkelin bei ihren Eltern und ihren fünf Geschwistern in H., die sich seit 1991 im Bundesgebiet aufhalten und von der Landeshauptstadt H. - Fachbereich Soziales - seit Oktober 2006 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beziehen. Bis zum 21.11.2006 (Einstellungsbescheid vom 13.11.2006) erhielt die Enkelin von der Landeshauptstadt H. - Fachbereich Soziales - laufend Leistungen nach dem Zwölfen Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Mit Bescheid vom 12.12.2006 (Blatt 49 der Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte der Enkelin für die Zeit vom 22.12.2006 bis 30.04.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 98,40 Euro (22.11. bis 30.11.2006) bzw. in Höhe von 328 Euro monatlich (01.12.2006 bis 30.04.2007).
Mit Bescheid vom selben Tage (Blatt 59 der Verwaltungsakte) forderte der Beklagte den Kläger auf, die an seine Enkelin in der Zeit vom 22.11.2006 bis 31.12.2006 erbrachten Sozialleistungen von 591,05 Euro (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 426,40 Euro zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 164,65 Euro) in vollem Umfang und für die Zeit ab dem 01.01.2007 die noch laufend zu erbringenden Leistungen in Höhe von 454,65 Euro monatlich (328 Euro Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie 126,65 Euro an Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung bzw. soziale Pflegeversicherung) zu erstatten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger sich in seiner Verpflichtungserklärung vom 03.07.2002 verpflichtet habe, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Enkelin, für die Versorgung mit Wohnraum, für den Krankheitsfall sowie für die Pflegebedürftigkeit zu tragen. Da er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe der Beklagte mit öffentlichen Mitteln eintreten müssen, woraus ein entsprechender Erstattungsanspruch nach § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erwachse. Von der Geltendmachung des Ers...