Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr: Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV bei vorangegangener Tätigkeit im Vorverfahren. Dokumentenpauschale. Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nr 3103 RVG-VV ist eine im Verhältnis zu Nr 3102 RVG-VV vorrangige Sondervorschrift mit niedrigerem Gebührenrahmen.

2. In den Fällen, in denen der Rechtsanwalt bereits im verwaltungsbehördlichen Vorverfahren, welches den mit der Klage begehrten Erlass (desselben) Verwaltungsaktes betroffen hat, tätig geworden ist, berechnet sich die Verfahrensgebühr zwingend nach Nr 3103 RVG-VV. Daran ändert auch der Anrechnungstatbestand des § 15a RVG (analog) nichts.

3. Zur Festsetzung der Dokumentenpauschale (Nr 7000 RVG-VV) bei unsubstantiiertem Sachvortrag.

4. Kostenentscheidungserfordernis im Erinnerungsverfahren (hier offengelassen).

 

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.12.2009 (S 24 SB 6379/07) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der zugunsten der Klägerin erstattungsfähigen Kosten für das erledigte Klageverfahren.

Mit ihrer am 21.08.2007 erhobenen Klage im Verfahren S 24 SB 6379/07 begehrte die Klägerin vom Beklagten nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Am 09.07.2008 fand vor dem hiesigen Gericht zunächst ein Erörterungstermin statt. Nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen - unter anderem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Einholung des Gutachtens der Neurologin und Psychiaterin Dr. G. vom 23.06.2009 - anerkannte der Beklagte schließlich, dass bei der Klägerin seit dem 09.05.2006 ein GdB von 50 besteht und verpflichtete sich für den Fall der Erledigung des Rechtsstreits, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Mit Anwaltsschriftsatz vom 21.07.2009 nahm die Klägerin das Anerkenntnis des Beklagten zur Erledigung des Rechtsstreits an.

Mit Antrag vom 10.11.2009 - bei Gericht unter dem 11.11.2009 eingegangen - in der ergänzten Fassung vom 17.11.2009 (Eingang bei Gericht unter dem 19.11.2009) machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin folgende Kosten geltend:

Verfahrensgebühr für Verfahren vor Sozialgericht, § 14 RVG, Nr. 3102 VV RVG

250,00 €

Terminsgebühr im Verfahren vor Sozialgericht, § 14 RVG, Nr. 3106 VV RVG

200,00 €

Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld von nicht mehr als vier Stunden (am 09.07.2008),

Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG

20,00 €

Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Dokumentenpauschale für Ablichtungen, Nr. 7000 Ziff. 1 VV RVG

- Ablichtungen/Fax aus Behörden- und Gerichtsakten Nr. 7000 Ziff. 1a VV RVG (150 Seiten) - 

40,00 €

Zwischensumme netto

530,00 €

19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG

100,70 €

zu zahlender Betrag

630,70 €

Zugleich beantragte er, den festzusetzenden Betrag ab Antragstellung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Der Beklagte hat dazu Stellung genommen. Die Klägerin könne an erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten insgesamt nur einen Betrag von 526,58 Euro beanspruchen. Da der klägerische Prozessbevollmächtigte bereits im Vorverfahren tätig gewesen sei, richte sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG, was zu einer entsprechenden Mittelgebühr von 170,00 € führe. Darüber hinaus könnten an Fotokopien lediglich 100 statt der geltend gemachten 150 Fotokopien anerkannt werden. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung habe die Verwaltungsakte lediglich 119 Blatt umfasst. Eine Vervielfältigung der gesamten Akten sei nicht erforderlich gewesen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 08.12.2009 hat sich die Klägerin auf den Standpunkt gestellt, dass vorliegend der Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG (analog) und nicht der der Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung komme. Dies ergebe sich aus § 15 a RVG. Die Mittelgebühr betrage somit 250,00 €. Die Fotokopien setzten sich wie folgt zusammen: 58 Fotokopien aus der Verwaltungsakte sowie insgesamt 92 Fotokopien aus der Gerichtsakte, einschließlich Kopien der im Klageverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten. Insbesondere deren Anfertigung sei gerechtfertigt gewesen, da es der Klägerin nicht zumutbar gewesen sei, die nervenärztlichen Gutachten in den Kanzleiräumen zu lesen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.12.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des hiesigen Gerichts die Kosten wie folgt festgesetzt,

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG

170,00 €

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

200,00 €

Dokumentenpauschale (100 Kopien) Nr. 7000 VV RVG

32,50 €

Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 

20,00 €

Abwesenheitsgeld Nr. 7005 RVG

20,00 €

Umsatzsteuer Nr. 7008 RVG

84,08 €

insgesamt

526,60 €

und die Verzinsung des Gesamtbetrages mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11.11.2009 (Tag der Antragstellung) angeordnet.

Hiergegen hat die Klägerin...

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