Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Bedarfsplanung. Nachbesetzung einer Stelle eines angestellten Arztes (hier: Facharzt für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie, mit einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie). Erfordernis derselben Arztgruppe. Unterschied zur Praxisnachfolge. Verfassungsrecht

 

Orientierungssatz

1. Eine Nachbesetzung nach § 103 Abs 4b S 3 SGB 5 setzt voraus, dass der ausscheidende Arzt und der neue Stelleninhaber derselben Arztgruppe im Sinne der Regelungen zur Bedarfsplanung (juris: ÄBedarfsplRL) angehören und dass Umfang und Inhalt der Tätigkeit einander im wesentlichen entsprechen (vgl analog BSG vom 2.7.2014 - B 6 KA 23/13 R = SozR 4-2500 § 103 Nr 14).

2. Ein Facharzt für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie, und ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gehören zu unterschiedlichen Arztgruppen im Rahmen der Bedarfsplanung.

3. Die Regelung zur Praxisnachfolge (§ 16 ÄBedarfsplRL idF vom 20.12.2012) ist im Rahmen der Anstellungsnachfolge nicht anwendbar. Dies ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird endgültig auf 30.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Genehmigung, den Beigeladenen zu 4) in ihrer Praxis zu beschäftigen.

Die Antragstellerin zu 1) ist Fachärztin für Chirurgie, der Antragsteller zu 2) ist Facharzt für Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie. Sie bilden eine Berufsausübungsgemeinschaft - Antragstellerin zu 3) - und sind mit Sitz in E. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Beigeladene zu 4) ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Zusatzbezeichnung “spezielle Unfallchirurgie„.

Mit Beschluss vom 19.3.2014 genehmigte der Zulassungsausschuss für Ärzte den Antragstellern mit Wirkung vom 1.4.2014, den Beigeladenen zu 4) als angestellten Arzt zu beschäftigen. Die Genehmigung erfolgte im Rahmen der Nachbesetzung für eine Arztstelle, welche ursprünglich durch Verzicht des Herrn L., Facharzt für Chirurgie mit der Berechtigung zum Führen der Schwerpunkt Bezeichnung Unfallchirurgie, gemäß § 103 Abs. 4b SGB V zu Gunsten einer Anstellung in der Praxis der Antragsteller entstanden war. Zur Begründung wurde auf das vergleichbare Leistungsspektrum der beiden Ärzte verwiesen.

Mit Bescheiden vom 19.9.2014 und 23.9.2014 genehmigte die Beigeladene zu 1) die Beschäftigung des Beigeladenen zu 4) als Sicherstellungsassistent in der Praxis der Antragsteller ohne Zuweisung eines RLV bis zum 31.12.2014.

Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) hin hob der Antragsgegner die Genehmigung des Zulassungsausschusses vom 19.3.2014 mit Beschluss vom 22.10.2014 auf.

Am 27.10.2014 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Sie tragen vor,

Herr L.. sei als Chirurg mit der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie ganz überwiegend im Bereich der Unfallchirurgie tätig gewesen, nämlich, gemessen am jeweiligen Euro-Gesamtumsatz nach EBM, im Quartal 1/2013 zu 99,5 %, im Quartal 2/2013 zu 99,7 % und im Quartal 3/2013 zu 98 %. Der Beigeladene zu 4) werde als angestellter Arzt genau dieselben Leistungsziffern erbringen bzw. habe bereits damit begonnen. Diese Tätigkeiten entsprächen auch dem Tätigkeitsfeld des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie nach neuem Weiterbildungsrecht.

Jedenfalls im vorliegenden Fall der Nachfolge gemäß § 103 Abs. 4b S. 3 SGB V sei lediglich die Übereinstimmung im Tätigkeitsspektrum maßgebend. Die Zugehörigkeit zu derselben Arztgruppe im Sinne von § 12 ff. der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BPl-RL) sei nicht erforderlich, jedenfalls aber sei die Ausnahmeregelung in § 16 S. 1 BPl-RL zu beachten. Diese sei zumindest analog anzuwenden, da hinsichtlich des Eigentumsschutzes keine wesentlichen Unterschiede zwischen Anstellung und Praxisnachfolge bestünden.

Ein Anordnungsgrund liege ebenfalls vor. Sie selbst seien auf die Umsätze und der Beigeladene zu 4) auf das Einkommen aus der Tätigkeit als angestellter Arzt wirtschaftlich angewiesen. Die Praxis sei auf zwei unfallchirurgisch tätige Ärzte ausgerichtet, dies entspreche auch dem Bedürfnis der Versicherten.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung zu genehmigen, Herrn Dr. med. B., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, mit der Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung im Umfang des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Regierungsbezirk Stuttgart - vom 19.03.2014 als angestellten Arzt zu beschäftigen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er trägt vor,

in gesperrten Planungsbereichen habe die Nachbesetzung “arztgruppenbezogen„ orientiert an § 12 Abs. 1 der BPl-RL zu erfolgen. Orthopäden, auch mit der Erweiterung auf die Unfallchirurgie, gehörten einer anderen Arztgruppe an als Chirurgen. Die Nachbesetzung mit einem Arzt einer anderen Arztgruppe könne zu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge