Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme für ein hormonelles Kontrazeptivum bei einer Versicherten mit geistiger Behinderung
Orientierungssatz
Eine Krankenkasse hat die Kosten für ein hormonelles Kontrazeptivum bei einer Versicherten mit geistiger Behinderung nicht zu übernehmen, wenn durch eine Schwangerschaft die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung des körperlichen und geistig-seelischen Gesundheitszustandes nicht besteht. Dies gilt auch dann, wenn die Schwangerschaft und auch eine Geburt mit erheblichen emotionalen Problemen verbunden wäre.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für ein hormonelles Kontrazeptivum streitig.
Die 1975 geborene Klägerin ist geistig behindert und lebt seit dem Jahr 1991 vollstationär in einem Wohnheim für behinderte Menschen der Diakonie Stetten. Sie erhält laufende Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Zudem erhält sie einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Sie arbeitet auf einem hauswirtschaftlichen Außenarbeitsplatz der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) und bezieht deshalb einen Zusatzbarbetrag aus Arbeitseinkommen. Seit dem 01.03.2003 ist die Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei der Beklagten pflichtversichert.
Mit Schreiben vom 13.07.2007 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Mittel der Empfängnisverhütung nach § 49 SGB XII bei dem Landkreis Schwäbisch Hall - Sozialamt -. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 18.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2007 abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, nach § 49 SGB XII würden zur Familienplanung die ärztliche Beratung, die erforderliche Untersuchung und die Verordnung der empfängnisverhütenden Mittel geleistet. Die Kosten empfängnisverhütender Mittel würden übernommen, wenn diese ärztliche verordnet seien. Die Hilfen nach §§ 47 bis 52 SGB XII entsprächen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 52 Abs. 1 SGB XII). Nach den für die Krankenkassen geltenden Vorschriften hätten Frauen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln und Übernahme des Kosten (§ 24a Abs. 2 SGB V). Durch die Anpassung des Leistungskatalogs der Sozialhilfe an die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der gesundheitlichen Versorgung sei es nicht möglich, die Kosten für empfängnisverhütende Mittel aus Sozialhilfemitteln zu finanzieren, sofern - wie im Falle der Klägerin - das 20. Lebensjahr vollendet sei. Die hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage (Az.: S 11 SO 8112/07) wurde mit Urteil vom 12.08.2009 abgewiesen. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden.
Den Antrag auf Kostenübernahme für empfängnisverhütende Mittel lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.04.2008 unter Berufung auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 18.01.2008 ab. Nach § 24a Abs. 2 SGB V erlösche der gesetzliche Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln ab vollendetem 20. Lebensjahr. Außerhalb dieser Bestimmung komme die Verhütung einer Schwangerschaft als Krankenbehandlung nur im Einzelfall in Betracht, wenn diese Maßnahme von der Frau die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung ihres körperlichen oder geistig-seelischen Gesundheitszustandes abwende (BSG, Urteil vom 13.02.1995, Az.: 3 RK 68/73). Der MDK habe keine Anhaltspunkte für eine medizinische Indikation als Krankenbehandlung erkennen können, sondern die geplante hormonelle Kontrazeption allein der Empfängnisverhütung zugeordnet, welche in die Eigenverantwortung der Klägerin (bzw. in die Verantwortung des bestellten Betreuers) falle.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens (Widerspruch vom 18.04.2008) wurden erneut Gutachten des MDK veranlasst. Dr. D. führt in ihrem Gutachten vom 04.07.2008 aus, der Wunsch nach dauerhaftem Empfängnisschutz sei nachvollziehbar und als durchaus sinnvoll einzustufen. Es wird insoweit Bezug genommen auf eine Stellungnahme von Dr. N., der behandelnden Ärztin der Klägerin, die angegeben hatte, eine Schwangerschaft sollte aus gesundheitlichen Gründen unbedingt verhindert werden. Nicht zuletzt auch, weil die Klägerin nicht in der Lage wäre, emotional mit einer möglichen Schwangerschaft umzugehen und für ein Kind zu sorgen und die Mutterrolle zu übernehmen. Aus gutachterlicher Sicht müsse jedoch festgestellt werden, dass im konkreten Einzelfall bei leichter geistiger Behinderung ein Krankheitsbild, das außerhalb der Eigenverantwortung der Versicherten und ihres Betreuers falle, nicht gegeben sei. Der angestrebte Empfängnisschutz könne in diesem Fall (bei leichter geistiger Behinderung) durch andere Verhütungsmethoden bewirkt werden. Insoweit werde in diesem Fall auf die Möglichkeit anderer hormoneller (3-Monats-Spritze) und mechanischer (IUP) Verhütungsmethoden verwiesen. Mit Widerspruchsb...