Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. psychischer Gesundheitserstschaden. schwerer Schock nach Blitzeinschlag am Arbeitsplatz. haftungsausfüllende Kausalität. posttraumatische Belastungsstörung. depressive Verstimmung. Kriterien nach ICD-10. Flughafenmitarbeiter
Orientierungssatz
Zur bejahenden Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer depressiven Verstimmung aufgrund eines Blitzeinschlags am Arbeitsplatz (hier: Flughafengelände) als Arbeitsunfall nach den Diagnosekriterien der ICD-10 ( Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information ≪DIMDI≫ ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt) und nach dem Diagnoseschlüssel des DSM-IV-TR (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl 2001).
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2008 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 26.05.2007 einen Arbeitsunfall darstellt und dass die beim Kläger bestehende posttraumatische Belastungsstörung mit depressiver Verstimmung Folge des Arbeitsunfalles vom 26.05.2007 ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 für den Zeitraum 27.11.2007 bis 31.05.2011 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung des Klägers als Folge streitig.
Der 1949 in I. geborene Kläger war seit 1992 als staatlich geprüfter Flugzeugabfertiger am F. S. tätig. Am 26.05.2007 gegen 18.20 Uhr war der Kläger mit der Fäkalienentsorgung in einem Flugzeug vom Typ Cand Air Jet beschäftigt und hatte dafür ein Entsorgungsfahrzeug ST16 zur Verfügung. Aufgrund eines Gewitters war der Betonuntergrund nass. Der Kläger trug Sicherheitshandschuhe und Sicherheitsschuhe, stand mit beiden Beinen auf dem Betonboden und hatte bei der Fäkalienentsorgung nach seiner Schilderung über eine Hand Körperkontakt mit dem Flugzeugrumpf.
Um 18.23 Uhr schlug ein Blitz in den Lichtmast Nr. 40 ein, der sich vom Standort des Klägers in ca. 156,40 m Luftlinie befand. Durch den Blitzeinschlag wurden Betonbrocken aus der Wand eines Flugzeughangars herausgerissen und durch die Luft geschleudert. Der Kläger gab bei ärztlichen Untersuchungen und in der mündlichen Verhandlung an, den Blitzeinschlag in der Nähe als lauten Knall, ähnlich einer Explosion, wahrgenommen zu haben. Er sei wohl zusammengebrochen und kurze Zeit bewusstlos gewesen. Nach Angaben des Flughafens hat der Kläger ca. zwei Minuten nach dem Blitzeinschlag über den Sprechfunk Hilfe geholt; eine Sprachstörung fiel dabei nicht auf, während der Kläger angab, Probleme beim Sprechen gehabt zu haben. Ungefähr vier Minuten später wurde der Kläger von den Erstversorgern bei Bewusstsein aufgefunden und mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo keine körperlichen Folgen des Ereignisses festgestellt wurden. Im Durchgangsarztbericht vom 26.05.2007 diagnostiziert der Unfallchirurg Dr. B. einen “Schock durch Blitzschlag„. Zur Sicherheit wurde der Kläger 24 Stunden auf der Intensivstation überwacht.
Nachdem der Kläger am 27.05.2007 beschwerdefrei, jedoch arbeitsunfähig, aus der stationären Behandlung entlassen wurde, sei er nach seinen Angaben in der Woche darauf zu Gesprächen mit Vorgesetzten unter erheblichen Beschwerden (starkes Schwitzen, kalte Extremitäten, starke innere Unruhe) auf dem Flughafen gewesen. Als er einige Tage später dann wieder zur Arbeit auf dem Flughafen erschienen sei, habe der Kläger es nach seiner Schilderung nicht ausgehalten, sich aus dem Flughafen geschlichen und sei nach Hause gefahren, ohne jemanden zu sehen. Seitdem könne er den Flughafen nicht mehr betreten.
Ab Anfang Juni 2007 fand zunächst eine ambulante psychiatrische Behandlung durch Dr. K. statt, demgegenüber der Kläger angab, von einem Blitz getroffen worden zu sein, und der den Kläger unter der Diagnose “Angst und Depression„ sowie “Panikzustände„ mit Citalopram behandelte. Der Kläger gab an, dass er bei dem Ereignis vom 26.05.2007 für kurze Zeit ohnmächtig gewesen sei und nicht richtig habe sprechen können. Er leide seitdem unter dem Gefühl, dass er umfalle, entwickle Schweißausbrüche und habe das Gefühl zu sterben. Er habe Angst, bei der Arbeit ein Flugzeug nicht zu beachten. Er schlafe unruhig.
Bei therapieresistenter Symptomatik wurde dann vom 03.09. bis zum 08.10.2007 eine stationäre psychiatrisch-psychosomatische Rehabilitationsbehandlung in der Klinik G. durchgeführt. Diagnostiziert wur...