Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Implantaten
Orientierungssatz
1. Der Gesetzgeber hat die Versorgung mit Implantaten durch § 28 Abs. 2 S. 9 SGB 5 grundsätzlich von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgeschlossen. Lediglich in den dort im Einzelnen aufgeführten besonders schweren Fällen als Ausnahmeindikationen besteht ein Versorgungsanspruch des Versicherten mit Implantaten.
2. Die Krankenkasse hat implantologische Leistungen und die dazugehörige Suprakonstruktion nur dann zu erbringen, wenn ein besonders schwerer Fall im Sinn der Zahnbehandlungs-Richtlinie vorliegt.
3. Ein zahnloser Oberkiefer mit extremer Atrophie des Alveolarkammes stellt keine Ausnahmeindikation dar. Hierzu zählen nur solche Veränderungen, die ihre Ursache in einer Operation wegen eines Tumors, einer Zyste oder einer Osteopathie, in einer Entzündung des Kiefers, einer angeborenen Fehlbildung oder in einem Unfall haben.
4. Die in den Zahnbehandlungs-Richtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen sind aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng zu interpretieren und lassen eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zu.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch auf eine Implantatversorgung.
Der 1962 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet an Zahnlosigkeit und fortgeschrittener Atrophie des Oberkiefers. Die Beklagte versorgte ihn im Jahr 2007 mit einer Totalprothese für den Oberkiefer und einer Teilprothese für den Unterkiefer.
Am 18. August 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit vier Implantaten im Bereich des Oberkiefers (Regio 12, 14, 22 und 24). Zur Begründung legte er einen Befundbericht des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. K. vor. Darin wurde ausgeführt, der ständige Druck, der durch den langjährig getragenen totalen Zahnersatz im Oberkiefer bestanden habe, habe zu einer vollständigen Knochenauflösung des Alveolarkamms im Seitenzahnbereich geführt. Die Oberkieferprothese beginne die Knochengrenze zu überschreiten und in die Kieferhöhlen einzubrechen. Aufgrund dessen bestehe bereits eine chronische Kieferhöhlenentzündung. Aufgrund der extremen Atrophie des Oberkieferalveolarkammes mit beidseitigen Einbrüchen in die Kieferhöhle sei ein implantatgetragener Zahnersatz die einzige Möglichkeit, den Oberkiefer prothetisch zu rehabilitieren; ansonsten drohe Zahnlosigkeit des Oberkiefers ohne weitere Versorgungsmöglichkeit mit Zahnersatz. In der Folge zeigte der Kläger der Beklagten auch Mängel des vorhandenen Zahnersatzes an.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. August 2008 die beantragte Implantatversorgung ab und leitete die Mängelanzeige an den Gutachter der Kassenzahnärztlichen Vereinigung weiter. Mit Gutachten vom 20. Oktober 2008 führte Dr. Z. nach ambulanter Untersuchung des Klägers aus, es sei anzunehmen, dass die Oberkieferprothese, die der Kläger aus eigener Initiative bei einem befreundeten Zahntechniker wegen Würgereiz kürzen lassen habe, frei von Mängeln gewesen sei. Mit prothetischen Mitteln könne der Halt der Prothese nicht optimiert werden. Nur durch umfangreiche kieferchirurgische Maßnahmen könne eine Stabilisierung eventuell erreicht werden. Die Erfolgsaussichten seien angesichts des bisherigen Krankheitsverlaufs jedoch eher vorsichtig zu beurteilen.
Über das Ergebnis der Begutachtung unterrichtete die Beklagte den Kläger. Der Kläger legte daraufhin Widerspruch gegen die Ablehnung der Implantatversorgung ein. Er machte geltend, bei ihm bestehe ein Krankheitsbild, das aufgrund seiner Schwere unter die Ausnahmeindikationen falle. Der implantatgetragene Zahnersatz sei für ihn die einzige Möglichkeit, ein Leben zu führen, bei dem er noch Essen und sich artikulieren könne. Aufgrund der bestehenden Kommunikationsprobleme habe er so gut wie keine Chance auf einen Arbeitsplatz.
Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg. Mit sozialmedizinischem Gutachten vom 1. Dezember 2008 stellte Dr. Dr. U. nach Aktenlage die Diagnose atrophierter zahnloser Oberkiefer und gelangte zu dem Ergebnis, eine Ausnahmeindikation für eine Implantatbehandlung liege nicht vor. Zu den Ausnahmeindikationen gehörten beispielsweise ein großer Kieferdefekt nach Tumoroperationen, bei angeborenen Missbildungen, schweren Unfall- oder Operationsfolgen usw., der zu einer so ungünstigen anatomischen Situation geführt habe, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantation gänzlich ausgeschlossen sei. Mangelzustände nach natürlichem Zahnverlust durch übliche Zahnkrankheiten und deren Folgen gehörten dagegen grundsätzlich nicht zu den Ausnahmeindikationen. Der zahnlose Kiefer stelle, auch im stark atrophierten Zustand, nach dem enggefassten Ausnahmekatalog keine Indikation für zahnimplantologische Leistungen dar. Die Rechtslage lasse keinen Interpretations...