Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. verspätete Arbeitsuchendmeldung. schuldhafte Verletzung der Meldepflicht. verfassungskonforme Auslegung. Feststellung der Verspätungstage. 3-Tages- bzw Handlungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB III (in der Fassung vom 22.12.2005) setzt die schuldhafte Verletzung der Meldepflicht aus § 37 b SGB III voraus.
2. Die dreitägige Reaktionszeit des § 37 b S. 2 SGB III (in der Fassung vom 22.12.2005) ist dem Arbeitsuchenden in vollem Umfang zuzubilligen. Dies gilt auch bei vorangegangenen, unverschuldeten Meldehindernissen. Die Tage der unverschuldeten Meldehindernisse sind nicht mitzuzählen.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 01.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2007 verurteilt, dem Kläger vom 01.01.2007 bis zum 07.01.2007 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
2. Die Beklagte erstattet dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs aufgrund einer Sperrzeit sowie die Minderung der Anspruchsdauer feststellen durfte.
Der am … 1982 geborene Kläger war seit dem 01.01.2006 bei einer GmbH unbefristet als Lagermitarbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.11.2006 kündigte die GmbH dem Kläger zum 31.12.2006. Das Kündigungsschreiben wurde am 27.11.2006 dem Kläger persönlich ausgehändigt.
Vom 27.11.2006 bis zum 22.12.2006 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Am 28.12.2006 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gab der Kläger an, er sei nicht weiter beschäftigt worden, weil er zu viele Fehler gemacht habe. In einem arbeitsgerichtlichen Vergleich einigten sich die Parteien auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch ordentliche Kündigung vom 27.11.2006 zum 31.12.2006. Der Kläger erhielt für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung in Höhe von 5.000 €.
Mit Bescheid vom 01.02.2007 stellte die Beklagte eine Sperrzeit in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 07.01.2007 fest. Zur Begründung wird angegeben, der Kläger sei seiner Pflicht, sich drei Monate vor Beendigung seines Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisses, bei späterer Kenntnis innerhalb von drei Tagen, persönlich bei der Arbeitsagentur arbeitsuchend zu melden, nicht nachgekommen. Daher sei eine Sperrzeit von einer Woche sowie eine Minderung der Anspruchsdauer um sieben Tage eingetreten.
Hiergegen legte der Kläger am 06.02.2007 mit der Begründung Widerspruch ein, er habe sich nicht innerhalb von drei Tagen nach Erhalt der Kündigung melden können, da er bis zum 22.12.2006 krank gewesen sei. Nach den Weihnachtsfeiertagen habe er sich dann am 28.12.2006 gemeldet, was der von der Beklagten geforderten Meldepflicht entspräche.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger hätte sich am ersten Tag mit Dienstbereitschaft der Bundesagentur nach Wegfall des Hinderungsgrundes Krankheit, also am 27.12.2006, melden müssen. Die Meldung am 28.12.2006 sei daher verspätet gewesen.
Am 08.03.2007 erhob der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart Klage. Er habe sich deshalb nicht am 27.12.2006 gemeldet, weil er davon ausgegangen sei, er habe ab dem 27.12.2006 drei Tage Zeit, sich arbeitslos zu melden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2007 zu verurteilen, dem Kläger vom 01.01.2007 bis zum 07.01.2007 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Beteiligtenvortrages, wird auf die Sozialgerichtsakte, auf die bei der Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2008 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 01.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2007 ist rechtsfehlerhaft und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
I.
Der Kläger hat Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 07.01.2007.
1. Der Kläger erfüllt unstreitig die Voraussetzung der §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Sozialgesetzbuch (SGB) III. Er war im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitslos, hat sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und hatte die Anwartschaftszeit erfüllt.
2. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte auch nicht aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit.
2.1. Anhaltspunkte für eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 144 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 SGB III liegen nicht vor. Die vom Kläger verursachten Fehler, die zur Kündigung führten, sind mangels gegenteiliger...