Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. freie Leistungen. quotierte Vergütung. Rechtmäßigkeit von Steuerungsmaßnahmen bei außerhalb des Regelleistungsvolumens vergüteten Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Quotierung der Vergütung freier Leistungen iS des § 87b Abs 2 S 7 SGB 5 aufgrund des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 22. September 2009 und der Honorarverteilungs- und Vergütungsvereinbarung für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg für das Jahr 2010 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz: Vergleiche SG Marburg vom 6.10.2006 - S 11 KA 340/09 = ZMGR 2010, 362 und so auch SG Marburg vom 18.4.2012 - S 12 KA 780/10 ua.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen B 6 KA 45/12 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des vertragsärztlichen Honorars für das Quartal 2/2010.

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Honorarbescheid vom 15.10.2010 setzte die Beklagte das vertragsärztliche Honorar des Klägers in Höhe von insgesamt 63.097,77 Euro fest. Dabei wurden folgende freie Leistungen zu einem Bruchteil des im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) angegebenen Wertes vergütet:

Freie Leistungen

GOP

GOP-Wert

Anzahl

Gesamt

Quote

Kürzung

Unvorhergesehene Inanspruchnahme

01100

19,45 €

54

1.050,39 €

90,15 %

103,45 €

Dringender Besuch I

01411

46,44 €

12

557,26 €

92,94 %

39,34 €

Dringender Besuch II

01412

62,03 €

2

124,07 €

92,94 %

8,76 €

Eingangsdiagnostik und

Abschlussuntersuchung zur Körperakupunktur

30790

46,61 €

30

2.796,83 €

89,42 %

295,88 €

Durchführung der Körperakupunktur

30791

21,03 €

492

10.346,76 €

89,42 %

1.094,69 €

Insgesamt

1.542,12 €

Zur Begründung des hiergegen am 11.11.2010 erhobenen Widerspruchs führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass die Quotierung von Leistungen außerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) mangels Rechtsgrundlage unzulässig sei. Nach § 87b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die vertragsärztlichen Leistungen auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Eine prozentuale Minderung der darin bestimmten Euro-Beträge sei in der Gebührenordnung nicht vorgesehen. Gemäß § 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V könne nur die das RLV übersteigende Leistungsmenge abgestaffelt vergütet werden. Davon seien die freien Leistungen nicht umfasst. Etwaige Beschlüsse der Beklagten oder des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur abgestaffelten Vergütung freier Leistungen verstießen gegen das vertragsärztliche Vergütungsrecht und seien deshalb unwirksam. Denn wo der Gesetzgeber die Vergütung der Vertragsärzte klar und unmissverständlich geregelt habe, seien abweichende Regelungen der Kassenärztlichen Vereinigung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig. Auf die Frage, ob der Kassenärztlichen Vereinigung ausreichende finanzielle Mittel zur Vergütung der Vertragsärzte zur Verfügung stehen, komme es nicht an, da sich die Kassenärztlichen Vereinigung die zur Erfüllung der gesetzlichen Honoraransprüche der Vertragsärzte erforderlichen finanziellen Mittel bei den Kostenträgern beschaffen müssten. Weil die Quotierung der freien Leistungen unzulässig sei, seien insgesamt 1.542,26 Euro nachzuzahlen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.8.2011 als unbegründet zurück. Die Mengensteuerung der freien Leistungen seit dem Quartal 3/2009 beruhe auf dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 20.4.2009. Ausgenommen von dieser Regelung sei der organisierte Notfalldienst. Maßstab für die Mengensteuerung sei die Menge der abgerufenen Leistungen im entsprechenden Vorjahresquartal. Was über diesen Topf hinausgehe, werde quotiert, damit Honoraranforderung und beschränkte Geldmenge in Einklang gebracht werden können. Der Grund für die quotierte Vergütung freier Leistungen liege darin, dass ein Anstieg der freien Leistungen zwangsläufig zu einer Verminderung der RLV führe, da die Geldmenge für die Leistungen der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) insgesamt begrenzt sei und die Krankenkassen keine Nachfinanzierungspflicht treffe. Durch die Mengensteuerung der freien Leistungen stünden mehr Gelder für die RLV zur Verfügung.

Hiergegen hat der Kläger am 23.8.2011 vor dem Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass die Unzulässigkeit einer Kürzung der Vergütung für freie Leistungen aus § 87b Abs. 2 Satz 7 SGB V folge. Demnach könnten weitere vertragsärztliche Leistungen außerhalb der RLV vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen. Die Vergütung solcher freier Leistungen zu einem Bruchteil des üblichen Preises widerspreche der besonderen Förderung dieser Leistungen, da sie von der ersten freien Leistung an schlechter bezahlt würden als vergleichbare unter das RLV fallende Leistungen. D...

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