Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzweigung bei Verletzung der Unterhaltspflicht. Arbeitslosengeld II. Einkommensberücksichtigung. Freibeträge nach § 11b Abs 2, 3 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abzweigung von Leistungen nach dem SGB 2 in Höhe der Freibeträge nach § 11b Abs 2, 3 SGB 2 gem § 48 SGB 1 ist nicht möglich, weil sonst der notwendige Unterhalt des Unterhaltsschuldners (§ 850d Abs 1 S 1 ZPO) nicht mehr sichergestellt wäre.
2. Die Freibeträge nach § 11b Abs 2, 3 SGB 2 stellen pauschalierte Absetzbeträge dar. Sie dienen zwar der Motivation des Leistungsberechtigten zur Weiterführung einer Tätigkeit, aber auch dem pauschalierten Ausgleich von mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert wird in Höhe von 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt zu ihren Gunsten die Abzweigung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Sicherung ihres Unterhalts.
Die Klägerin ist am ...1998 geboren. Ihr Vater ist Herr S. (Unterhaltsschuldner), geboren am ...1962. Herr S. ist daneben Vater des Kindes A. S. (geboren am ...2008) sowie des volljährigen Kindes R. S. (geboren am ...1991).
Das Jugendamt … ist seit dem 23.5.2013 Beistand des Kindes für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen.
Durch Urteil des Amtsgerichts Trier (Az.: 9 F 234/06) vom 6.6.2007 wurde der von dem Unterhaltsschuldner an die Klägerin zu zahlende, monatliche Barunterhalt in Höhe von 223,00 Euro festgesetzt. Seiner Unterhaltspflicht kam der Kindesvater nachfolgend nicht nach.
Der Unterhaltsschuldner lebt mit seiner Lebensgefährtin und dem Kind A. S. in M.. Die Familie bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
In dem Zeitraum vom 1.7.2012 bis 31.12.2012 wurden dem Unterhaltsschuldner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 401,14 Euro monatlich durch Bescheid vom 13.6.2012 bewilligt. Im Rahmen der Bedarfsermittlung wurde berücksichtigt, dass er im Rahmen einer Nebenbeschäftigung in M. ein voraussichtliches monatliches Einkommen in Höhe von 300,00 Euro erzielte. Der Beklagte zog hiervon Freibeträge nach §§ 11 Absatz 2, 3 SGB II in Höhe von 140,00 Euro ab. Das Einkommen minderte den Bedarf um 160,00 Euro monatlich. Der Bescheid wurde durch Änderungsbescheid vom 19.11.2012 abgeändert, weil die Vorlage der konkreten Gehaltsabrechnung ergab, dass das Einkommen nur 200,00 Euro betragen hatte. Im Rahmen der vorläufigen Bewilligung weiterer Leistungen in dem Zeitraum vom Januar 2013 bis Juni 2013 legte der Beklagte wiederum ein voraussichtliches Einkommen in Höhe von 300,00 Euro monatlich zu Grunde.
Mit Antrag vom 207.2012 beantragte die Bevollmächtigte der Klägerin die Abzweigung gemäß § 48 SGB I aus dem Arbeitslosengeld II für Herrn S. in Höhe der diesem gewährten Freibeträge für Erwerbstätigkeit gemäß § 11b Absatz 2 und 3 SGB II in der jeweils ermittelten Höhe.
Durch den Bescheid vom 9.8.2012 lehnte der Beklagte die Auszahlung laufender Geldleistungen ab, da der Unterhaltsschuldner die laufende Geldleistung in voller Höhe nach dem SGB II für den eigenen Lebensunterhalt benötige. Das Ermessen könne nicht anders ausgeübt werden, weil bei der gesetzlichen Bedarfsberechnung die Freibeträge nach dem SGB II berücksichtigt werden müssten. Der ausgezahlte Betrag stelle den Mindestbedarf des Unterhaltsverpflichteten dar, der ihm auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu belassen sei.
Die Klägerin erhob durch ihren Bevollmächtigten hiergegen Widerspruch. In dem Urteil vom 17.3.2009 habe das Bundessozialgericht die Abzweigung grundsätzlich - dort anhand des Zuschlags gemäß § 24 SGB II a. F., zugelassen (B 14 AS 34/07 R). Dies sei im Ablehnungsbescheid ohne stichhaltige Begründung missachtet worden.
Der Beklagte wies nachfolgend ergänzend darauf hin, dass der Zuschlag gemäß § 24 SGB II a. F. unstreitig der Abzweigung unterliege, da er tatsächlich als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts gezahlt werde. Die Beträge nach §§ 11b Absatz 2 und Absatz 3 SGB II würden aber nicht als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gezahlt, sondern seien nur ein Berechnungsfaktor der Leistung.
Durch den Widerspruchsbescheid vom 20.2.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB I könnten laufende Geldleistungen die der Sicherung des Lebensunterhaltes dienten, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder an Kinder eines Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn der Unterhaltsschuldner er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Dieser Anspruch könne gemäß § 1712 BGB grundsätzlich auch durch das Jugendamt geltend gemacht werden. Allerdings lägen die Voraussetzungen der Abzweigung nicht vor. Zwar bestehe aufgrund des Urteils vom 6.6.2007 ein vollstreckbarer Unterhaltstitel, weil der Unterhaltsschuldner der Tochter R. S. zum Unterhalt verpflichtet sei. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten richte sich aber nach