Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Dokumentenpauschale. keine Entschädigung für Ausdrucke aus einer elektronisch überlassenen Verwaltungsakte
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ausdruck der elektronisch überlassenen Verwaltungsakte, die vorliegend als PDF-Datei mit Inhaltsverzeichnis überlassen wurde, ist, nachdem die elektronische Aktenbearbeitung zum Standard geworden ist, zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache auch unter Berücksichtigung des Kostenminimierungspflicht nicht geboten. Deshalb ist der Ausdruck auch nur von Teilen der Verwaltungsakte nicht nach Nr 7000 Nr 1 Buchst a VV RVG (juris: RVG-VV ) zu entschädigen.
2. Was zur "Bearbeitung" einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 1: Entgegen SG Lüneburg vom 29.12.2022 - S 12 SF 33/22 E = ASR 2023, 51 ; Anschluss an VG Hamburg vom 8.1.2024 - 10 KO 5115/23 ).
Tenor
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.11.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten eines Klageverfahrens hinsichtlich gefertigter Kopien aus einer elektronischen Verwaltungsakte.
Im zugrundeliegenden Klageverfahren begehrte der Erinnerungsführer, der im Vorverfahren ab 23.02.2022 anwaltlich vertreten war, wobei der Bevollmächtigte nur um Entscheidung über den Widerspruch unter Androhung der Erhebung einer Untätigkeitsklage gebeten hatte, die Feststellung eines GdB von 50, während der Erinnerungsgegner mit Bescheid vom 11.05.2021 den GdB mit 30 und mit Teilabhilfebescheid vom 03.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2023 mit 40 bewertet hatte. Im Klageverfahren nahm der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers Akteneinsicht in die ihm elektronisch zur Verfügung gestellte Verwaltungsakte des Erinnerungsgegners (PDF-Dokument mit 115 Seiten, dabei Seite 1 mit Inhaltsverzeichnis, das explizit Befundunterlagen erwähnt) und wurden sechs sachverständige Zeugenauskünfte eingeholt, woraufhin der Erinnerungsgegner mit Anerkenntnis vom 06.06.2023 einen GdB von 50 seit 05.03.2021 feststellte und ein Kostenanerkenntnis abgab. Die Anerkenntnisse nahm der Erinnerungsführer zur Erledigung des Rechtsstreits an.
Am 21.06.2023 beantragte der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers, Kosten nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG ) in Höhe von 870,01 Euro (Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 360 Euro, (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG in Höhe von 324 Euro, Auslagenpauschale in Höhe von 20 Euro, Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 27,10 Euro für 64 Kopien und 19% Umsatzsteuer) festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner teilte mit, 837,76 Euro angewiesen zu haben. Die Dokumentenpauschale sei nicht angefallen. Kosten für Ausdrucke aus der elektronischen Verwaltungsakte seien nur dann zu erstatten, wenn ein Ausdruck der Dokumente für eine sachgerechte Bearbeitung des Mandats notwendig gewesen sei. Dies müsse vom Prozessbevollmächtigten plausibel begründet werden. Es müsse sich hier allerdings um einen Ausnahmefall handeln. Seit Einführung des elektronischen Anwaltspostfaches 2018 müssten die Dokumente in elektronischer Form entgegengenommen werden. Das rechtliche Gehör werde auf diesem Weg grundsätzlich mit der Übersendung der elektronischen Verwaltungsakte gewährt. Der Rechtsanwalt habe eine technische Ausstattung bereitzustellen, mit welcher der Inhalt der übersandten Dokumente zur Kenntnis genommen werden könne. Es sei deshalb zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache im Sinne von Nr. 7000VV RVG nicht geboten, die elektronische Akte, die dem Rechtsanwalt zur dauerhaften Nutzung überlassen worden sei, auszudrucken.
Der Erinnerungsführer erwiderte, er habe die medizinischen Befundunterlagen für die Handakte ausgedruckt. Denn in der elektronischen Akte sei die Erfassung des medizinischen Sachverhalts unübersichtlich. Auch entspreche die Seitenzahl in der Akte des
Erinnerungsgegners nicht dem elektronischen Dokument, auch, da ein Teil der Akte vorwärts paginiert sei, die Altakte aber rückwärts. Damit könne nicht vernünftig gearbeitet werden. Es bestehe keine Pflicht, die Handakte elektronisch zu führen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wies den Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 03.11.2023 zurück. Die Erstattung von Kopien scheide aus, da das Ausdrucken aus elektronisch geführten Akten zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht geboten sei. Der Erinnerungsführer erhalte mit der Einsichtnahme in die elektronisch geführten Gerichts- und Verwaltungsakten auch die Möglichkeit, die Datei im PDF-Format abzuspeichern. Durch die Speicherung der Datei sei es dem Erinnerungsführer jederzeit - auch ohne Int...