Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung bei Anerkenntnis auf Gewährung einer Rente. Auslegung des Klageantrags

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Anerkenntnis auf Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Rentenantragstellung hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers (in der Regel) in voller Höhe zu erstatten; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gewährung einer Dauerrente nicht ausdrücklich beantragt worden ist.

2. Der Klageantrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ist - wie üblicherweise bei einer Anfechtungs- und Leistungsklage - auf Erlass eines Grundurteils, dh auf Gewährung von Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen, auszulegen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 11.07.2005 zum Sozialgericht Ulm erhobenen Klage (S 11 R 2046/05) begehrte der 1960 geborene Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung (15.11.2004).

Nach Durchführung diverser medizinischer Ermittlungen von Amts wegen, insbesondere nach Einholung des orthopädischen Fachgutachtens des Dr. F. vom 01.10.2005, anerkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.11.2005 den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung seit dem 04.03.2004. Die Beklagte erklärte sich bereit, befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab dem 01.11.2004 in gesetzlicher Höhe zu gewähren und die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zur Hälfte zu übernehmen.

Mit Schriftsatz vom 22.12.2005 hat der Kläger das Anerkenntnis der Beklagten zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache angenommen und gleichzeitig beantragt, über die außergerichtlichen Kosten durch Beschluss zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in voller Höhe zu erstatten.

Gem. § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht, wenn das Verfahren - wie vorliegend - anders als durch Urteil beendet wird, auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Maßstab für die Entscheidung über die Kostentragung ist grundsätzlich die Anwendung sachgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. In der Regel ist der Verfahrensausgang unter Zugrundelegung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Erledigung maßgebend (BSG SozR § 193 Nr. 3, Nr. 4; BSG SozR 3-1500 § 193 SGG Nr. 2), so dass es grundsätzlich billig ist, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt. Allerdings kann auch ein obsiegender Beteiligter im Hinblick auf das Veranlassungsprinzip zur Kostenerstattung verurteilt werden (Bayerisches LSG Breithaupt 1998, S. 454, 457; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. SGG, 8. Auflage, § 193 Rndziff. 13 ff), womit auch die Gründe für die Klageerhebung und die Gründe für die Erledigung zu prüfen sind (LSG Bad.-Württ. Breithaupt 1995, S. 158). Die Kammer hält es beispielsweise für sachgerecht, dass bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage nach Klageerhebung und einem entsprechenden unverzüglichen Anerkenntnis oder sachgerechtem Vergleichsvorschlag der beklagte Versicherungsträger in der Regel von der Kostenerstattungspflicht befreit ist (so auch LSG Bad.-Württ. Beschluss vom 17.01.2005 - L 6 SB 3730/04 AK-A; LSG Bad.-Württ. Beschl. vom 17.11.2003 - L 6 SB 176/03 AK-B; LSG NRW Breithaupt 1996, S. 777; a.A. Bayerisches LSG Breithaupt 1986). Des weiteren hält die Kammer eine Kostentragung des Beklagten für angemessen, wenn der Sachverhalt im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend ermittelt war und der Versicherungsträger erst nach weiteren Ermittlungen des Gerichts den Klageanspruch anerkennt (BSG Breithaupt 1961, S. 503; Meyer-Ladewig aaO, Rndziff. 13).

Gemessen hieran hält es die Kammer vorliegend für sachgerecht, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers erstattet. Eine Kostenquotelung zu lediglich 1/2 - wie von der Beklagten angeboten - ist nach Auffassung des Gerichts nicht angemessen.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung und nicht nur der teilweisen Erwerbsminderung eingetreten ist und auch anerkannt wurde, sodass die Klage diesbezüglich vollen Erfolg hatte. Darüber hinaus ist auch im Hinblick auf den Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung die Klage vollumfänglich erfolgreich gewesen, denn die Beklagte hat den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits ab dem 04.03.2004 anerkannt. Der Kläger hat somit eine rückwirkende Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung vor Antragstellung, d.h. zum 01.11.2004 erreicht. Deshalb rechtfertigt das Anerkenntnis der Beklagten auch nicht eine Kostentragung oder Kostenquotelung zu Lasten des Klägers, denn es handelt sich vorliegend nicht um ein unverzügliches Anerkenntnis nach Änderung der Sach- und Rechtslage, denn der maßgebende medizinische Sachverhalt ist nicht erst nach Klageerhebung eingetreten, sondern lag bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides vor. Insofern war der m...

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